Angeklopft bei Jens Aßmann zum Thema Denkwerkzeuge

Wir bitten unsere Podcast-Gäste darum, uns im Nachgang noch drei Fragen zu zentralen Aspekten der Podcast-Episode zu beantworten. Zum Nachlesen für alle.

Wofür brauchen Führungskräfte gute Denkwerkzeuge?

Während dir eine Methode sagt, was du in welcher Reihenfolge zu tun hast, fordert dich ein Denkwerkzeug zum eigenständigen Denken und Handeln auf. Methoden und best practice-Anleitungen sind immer dann sinnvoll, wenn das Ergebnis eines Arbeitsschrittes vorher bekannt ist, man Fehler vermeiden und damit Effizienz steigern möchte. Da Methoden aber so leicht anzuwenden sind, verleiten sie zur Übernahme auch dann, wenn das Ergebnis einer Handlung nicht absehbar ist, wenn es also komplex geworden ist. Insofern ist es für Führungskräfte im ersten Schritt entscheidend komplexe Problemstellungen wie Mitarbeitergespräche, Strategiemeetings oder Kundenwünsche nicht mit Methoden anzugehen, die den Weg vorgeben! Denkwerkzeuge sind das Mittel der Wahl in zunehmender Dynamik. Sie öffnen den Lösungsraum und eine lernende Herangehensweise von Versuch und Irrtum. Dabei kann ein Team sich konstruktiv voranirren und schlussendlich einen gangbaren Weg zu Lösung eines Problems finden.

Was ist das wichtigste Denkwerkzeug für eine Führungskraft, wenn Du nur eines verschenken könntest?

Mein Lieblingsgeschenk ist die Unterscheidung zwischen Vorgängen, die vorhersehbar sind und solchen, die es eben nicht sind. Also die Unterscheidung zwischen Kausalität, die auf vielen Ursache-Wirkungsabläufen basiert und Komplexität, die sich Ursache-Wirkungsabläufen entzieht und damit nicht steuerbar ist. Für mich ist das die Leitunterscheidung, auf der alle anderen Unterscheidungen basieren. Wir sind es gewohnt, Organisationen ähnlich wie Maschinen und damit als steuerbar zu betrachten. Wenn wir unsere Tätigkeiten aber in kausale und komplexe Bestandteile zerlegen, bemerken wir, dass wesentliche Teile in der kollaborativen Wertschöpfung nie vorhersagbar waren. Also ist es auch nicht hilfreich sie so zu behandeln. Gleichwohl tun wir genau das seit Jahrzehnten. Aktivitätenplanung, Innovationsmanagement oder Personalentwicklung sind sprachliche Beispiele aus der Betriebswirtschaftslehre, die begrifflich Steuerbarkeit und Vorhersagbarkeit suggerieren. Da diese Steuerbarkeit aber in komplexen Vorgängen nicht vorhanden sein kann, produziert sie Schmerzen in der Organisation. Man nennt das Steuerungsillusion. Wer diese basale Unterscheidung auf sein Arbeitsumfeld angewandt und reflektiert hat, hat damit ein sehr solides Fundament gelegt, auf dem weitere Unterscheidungen gut aufgebaut werden können.

Wo siehst Du den größten Handlungsbedarf in Bezug auf Führung in Unternehmen?

Hier möchte ich eine weitere Unterscheidung zwischen Steuerung und Führung anbieten. Wenn vorhersagbare Arbeitsabläufe wie am Fließband verlaufen und Prozesse das Mittel der Wahl sind, können wir von Steuerung sprechen. Das Management stellt Wissen der Abläufe verpflichtend zur Verfügung und die Mitarbeitenden führen es auf Basis eben dieses Wissens in einem relativ klar abgesteckten Feld aus. In dieser Welt der Routine sind Führungskräfte also eigentlich Steuerungskräfte. Das Gegenstück dazu ist die eigentliche Führung, die ohne Hierarchie auskommen kann. Wenn die Lösung eines Problems unbekannt ist, sollte die beste Idee im Raum und nicht die Schulterklappe führen. Die Aufgabe der Führungskraft ist dann nicht, alles zu wissen oder gar Ober sticht Unter zu spielen, sondern den Raum zu bieten, möglichst diversen Ideen Gehör zu verschaffen und vor allem die besten Ideen mit Experimenten verproben zu lassen. Führung in Unternehmen braucht also Situationskompetenz, bei der immer wieder die Frage gestellt werden sollte, ob im Sinne der Effizienz gerade Steuerung, oder im Sinne der “Verschwendung” von guten Ideen Führung angesagt ist.

Eine zweite große Herausforderung sehe ich in der Entpersonalisierung von Fehlerzuschreibungen in Organisationen. Wir sind es gewohnt eine Entscheidung, die sich im Nachhinein als unpassend erwiesen hat, einer Person zuzuschreiben. Der Mitarbeiter ist nicht innovativ genug, denkt nicht unternehmerisch genug oder ist nicht konfliktfähig. Was wäre aber, wenn es für dieses Verhalten einen guten Grund gäbe, der innerhalb der Organisation zu finden ist? Was wäre, wenn die gleiche Person im Privatleben innovativ ist, unternehmerisch denkt und Konflikte wertschätzt? Ergibt unsere Zuschreibung gegenüber diesem Menschen dann noch Sinn? “Die Verhältnisse prägen das Verhalten” ist daher eines meiner Lieblingszitate. Wann immer ich ein Verhalten beobachte, dass nicht meinem Weltbild entspricht, versuche ich mit einer detektivischen Haltung einen guten Grund für genau dieses Verhalten zu finden, der in den Strukturen der Organisation liegt. Meistens finde ich auch etwas. Und dann gilt: Wirksame Organisationsentwicklung ist Strukturarbeit, keine Arbeit am Menschen!

Bonusfrage: Wem empfiehlst Du den LEA Podcast zu hören?

Führungskräfte und Mitglieder der Geschäftsführung sollten den LEA-Podcast im Abo haben. Dabei ist es egal, was der Zweck der jeweiligen Organisation ist. Ob es die Herstellung von Produkten oder Dienstleistungen ist, oder eher Daseinsvorsorge wie bei der Verwaltung. Überall, wo Arbeit zwischen Menschen organisiert und damit aufgeteilt wird, stoßen wir auf Verhalten von Menschen, das uns manchmal irritiert. Hier bietet Christina mit ihren Gästen gute Reflexionen an, die zum Nachdenken und einem zweiten Blick auf das Gleiche anregen. Anders als die Arbeit im System, die täglich verrichtet wird, braucht die Arbeit am System grundsätzlich mehr Aufmerksamkeit in Organisationen. Hierzu leistet der LEA-Podcast einen wichtigen Beitrag!

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Die Podcast-Folge mit Jens findest Du hier: Denkwerkzeuge für Führungskräfte

Hier geht es zu Jens´ LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/jensassmann/

Die 10 Denkwerkzeuge: https://der-sparringspartner.de/10denkangebote/