Wir bitten unsere Podcast-Gäste darum, uns im Nachgang noch drei Fragen zu zentralen Aspekten der Podcast-Episode zu beantworten. Zum Nachlesen für alle.
Wie schaust du heute auf das Projekt “Augenhöhe”?
AUGENHÖHE war anfangs ein idealistisches Projekt. Idealistisch im doppelten Sinn: Organisatorisch, weil wir trotz der großen Erfolge in den Crowdfunding-Kampagnen natürlich viel mehr gearbeitet haben, als vergütet werden konnte. Inhaltlich, weil wir davon überzeugt waren, dass eine bessere Arbeitswelt geben kann, geben muss. Der Film sollte zeigen, was alles schon möglich ist – um zu inspirieren und zu ermutigen. Schon damals war uns klar, dass es nicht „den einen Weg“ zu diesem „besser“ geben kann, was wir auch immer wieder betont haben.
Dennoch waren wir ganz schön idealistisch, es haben sich schon Bewertungen eingeschlichen, z. B. die, dass Selbstorganisation immer gut und Hierarchie immer blöd ist. Da sind wir klüger geworden, man könnte auch sagen, die Idealisten sind realistischer geworden. Persönlich schaue ich – ziemlich genau zehn Jahre nach der ersten Idee zu dem Projekt – vor allem mit Freude und Dankbarkeit auf unser Projekt und alles, was daraus geworden ist – nach innen wie nach außen. Es freut mich immer noch, wie vielen Menschen die AUGENHÖHE-Filme eine entscheidende Inspiration waren, welche zu wichtigen Entwicklungen geführt haben – für die Menschen und die Organisationen, in denen sie tätig sind. Und es ist großartig, dass wir inzwischen große wie kleine Organisationen mit Ausbildung und Beratung auf ihren Wegen unterstützen.
Nach innen bin ich immer noch stolz, wie es uns damals fünf Menschen, die wir uns nicht alle vorher kannten, gelungen ist, so ein Projekt wirklich auf die Beine zu stellen, Neuland zu betreten, am Rande der Überforderung zu segeln (und bisweilen auch darüber …) und am Ende aus dem etwas wilden Projekt ein Unternehmen gemacht zu haben, das bis heute Bestand hat.
Welches Thema unserer aktuellen Arbeitswelt bewegt dich derzeit am meisten?
Mich bewegt das Thema Handlungssicherheit oder besser gesagt „Handlungssicherheitsgefühl“. Aus meiner Sicht geht darum, im Unsicheren mit einem ausreichenden Gefühl von Handlungssicherheit zu agieren. Was ich beobachte – in der Arbeitswelt, aber auch in der Gesellschaft insgesamt – sind Versuche, Sicherheit herzustellen, wo es keine geben kann. Es werden detaillierte Pläne gemacht, „bewährte“ Organisationsmodelle eingeführt und immer dickere Verordnungen geschrieben. Aber vielfach hilft das nichts, verschlimmert sogar das Problem. Wenn das nämlich komplex ist, geht es um andere Fragen: Wer kann das lösen – statt „Wie geht das?“? Und was braucht der oder die, die sich des Problems annehmen, um sich ausreichend handlungssicher zu fühlen? Denn wenn sich dieses Gefühl nicht einstellt, wird oft eher nicht gehandelt – und die Konsequenzen, die dieses Nicht-Handeln hat, ausgeblendet.
Durch welche Brille schaust du dir derzeit das Geschehen in unserer Arbeitswelt an?
Ich versuche, immer mehrere Brillen aufzusetzen, mindestens zwei: eine soziologische, die auf die Bedingungen in der Organisation schaut, die nach Sinn im Unsinn sucht (den es immer gibt …), wenn mir „seltsame“ Phänomene in Organisationen beschrieben oder einzelne Menschen als „blöd“ kategorisiert werden. Und eine psychologische, die auf Muster und Glaubenssätze von handelnden Personen achtet – besonders, wenn diese an zentralen Stellen in einer Organisation sitzen. Und dann interessiert mich vor allem die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Perspektiven.
Das führt dann zu Fragen wie: Wie bauen wir eine Organisation, in der Entscheidungen schlank und schnell fallen können und berücksichtigen gleichzeitig das hohe Sicherheitsbedürfnis des Geschäftsführers, der biografisch ein Thema mit Vertrauen hat und daher bisher immer alles kontrolliert hat?
Bonusfrage: Wer sollte unbedingt den LEA Podcast hören?
Alle, die sich mit der Gestaltung von Organisationen beschäftigen und eine Vielfalt von Perspektiven im Umgang mit ihnen schätzen.
Die Podcast-Folge mit Silke findest Du hier: Augenhöhe