Vier Mal loben, dann darfst du einmal kritisieren. Und am besten gibst du überall Feedback zwischen jeder Tür und Angel, um deine Erwartungen präsent zu halten. Und wenn du dann noch den Feedback-Bogen mit Kriterien 1–20 über die individuellen Stärken und Schwächen deiner Mitarbeitenden parat hast, dann ist der Erfolg eigentlich garantiert.
– Das könnte man zumindest alles glauben, wenn das Thema Feedback in Organisationen auf den Tisch kommt. In den meisten Fällen gibt es dann nämlich eine ordentliche Portion „So geht Feedback richtig“. Nicht so viel wird sich darüber unterhalten, ob Feedback überhaupt für eine bestimmte Situation eine sinnvolle Maßnahme ist. Warum sollte es das auch nicht sein, wenn es doch „richtig“ gemacht wurde?
Ein Beispiel: Ein Teammitglied liefert nicht das vereinbarte Ergebnis. Woran könnte das liegen? Ist die Person nicht strukturiert genug, holt sich nicht genug Hilfe, fehlt die Motivation für „bessere“ Leistung? Oder: wurden zu viele Aufgaben an die Person delegiert, wurde kein effektives Zusammenarbeitsmodell mit anderen Beteiligten geschaffen oder stimmt ein Prozess in der Organisation nicht, wodurch ständig Steine im Weg erscheinen? Nur wenn wir annehmen, dass der Grund für ein negatives Verhalten in der Hand der Person selbst liegt – und sich diese obendrein verbessern möchte – könnte direktes Feedback auf ihr Verhalten oder ihre Eigenschaften maximal gewinnbringend für beide Seiten sein. Für die anderen Fälle gehört Feedback als eine Bewertung von Mitarbeitendenverhalten und -charakteristika eher unwahrscheinlich zu den besten Maßnahmen.
Ein anderes Beispiel für Feedback, das wenig Sinn macht, haben Christina Grubendorfer und Korbinian Wittmann im Podcast „Warum Feedback Schaden anrichtet in Organisationen“ ausgepackt: „Richtiges“ Feedback nach formalen Kriterien kann eine ziemlich taktlose Angelegenheit sein. Und nein, damit ist nicht der Charme eines erzwungenen jährlichen Feedbacktermins mit steifer Agenda gemeint, sondern folgendes:
Organisationssoziologisch gesehen wollen sich Mitglieder einer Organisation taktvoll verhalten. Das heißt, wenn sich die eigene Führungskraft zum Beispiel für einen ganz tollen Hecht (oder Hechtin) hält, dann schwimmen Mitarbeitende häufig eher auf dieser Welle mit, statt in einem 360-Grad Feedback Paroli zu bieten. Oder im Feedbackkontext vielleicht noch etwas relevanter: Nehmen wir an, eine Führungskraft missachtet im Wohle der Mitarbeitenden eine Betriebsrichtlinie und lässt mehr Home-Office-Tage zu. Richtigerweise müssten die Mitarbeitenden hier in einem Feedback die Richtlinientreue negativ bewerten. Machen sie aber – taktvoll – eher nicht.
So geht der Sinn des Feedbacks zwar in dieser Situation komplett flöten, jedoch mit gutem Zweck: Aus der Reihe zu tanzen schädigt möglicherweise die Beziehung zur Führungsperson oder sogar zu den Kolleg*innen im Home-Office. Im Takt zu bleiben, schafft da schon bessere Chancen auf nachhaltig gute Kollaboration. Und aus ähnlichen Gründen tun auch Führungskräfte manchmal gut daran nicht in jeder Situation gleich mit negativem Feedback anzukommen – selbst wenn 4 Mal zuvor gelobt wurde.
Zusammengefasst steckt in Feedbacksituationen eben eine ganz andere Komplexität als die, die sich zeigt, wenn wir uns hauptsächlich auf die „Richtigkeit“ des Feedbackprozesses fokussieren. Feedback ist einfach nicht in jeder Situation zielführend. Sei es, weil die unterschwellige Hypothese nicht stimmt, dass die negative Situation am Mitarbeitenden liegt oder weil die direkte Diskussion dessen zu ganz anderen negativen Situationen führt.
Eine hilfreiche Frage, um zu erkennen, ob direktes Feedback gerade Sinn macht, kann folgende sein: Haben wir es gerade mit einem einzelnen Verhalten von einer Person zu tun, das uns irritiert – oder beobachten wir es bei mehreren Personen. Eine Häufung von negativen Verhaltensweisen ist ein gutes Indiz dafür, dass die Ursache nicht (nur) im Individuum, sondern in der Organisation – oder dem eigenen Führungsverhalten – liegt. Auch dann kann Feedback natürlich als Startpunkt für eine angeregte Diskussion über mögliche Veränderungen in diesen Bereichen verstanden werden. Kommt es beim Mitarbeitenden jedoch als Bewertung der eigenen Eigenschaften an, dann kauft man sich mit diesem Aufhänger gegebenenfalls auch ein ordentliches Ausmaß an Reaktanz und Ressentiment ein.
Im oben genannten Podcast gibt’s den Spieß dann auch mal umgedreht: Was machen, wenn ich als Führungskraft Feedback bekomme? Dazu gesellt sich die Antwort auf die Frage, warum gerade formalisierte Feedbackinstrumente wie Checklisten und Umfragen die Situation häufig mehr Schaden anrichten, als Nutzen stiften. Viel Spaß beim Hören!