Führung: Drei Denkfehler mit fatalen Folgen

In ihrem neuesten Beitrag zu Führung reflektiert Christina Grubendorfer über drei oft gehörten und fälschlicherweise geglaubten Gedanken, wer oder was Führung ist und was „man“ braucht, um erfolgreich zu führen.

 

Erster Denkfehler: Es geht um Führungskräfte

Wie erklärt man sich, dass in Unternehmen A jegliches Risiko gescheut wird, in Unternehmen B jeder sofort gefeuert wird, der nicht bereit ist, 60 Stunden die Woche zu arbeiten und in Unternehmen C alle Konflikte unter den Teppich gekehrt werden? Einer der häufigsten Denkfehler liegt sicherlich darin, die Chefs dafür verantwortlich zu sehen, z. B.: „Wir gehen keine Risiken ein, weil wir einen Vorstandsvorsitzenden haben, der Risiken scheut“. Doch Muster in Organisationen sind ganz gut mit einem Verkehrsstau zu vergleichen, niemand hat ihn gewollt, kein Einzelner hat ihn alleine verursacht oder könnte ihn wieder alleine auflösen. Viel treffender wäre die Antwort: „Wir wissen auch nicht, warum wir so lange brauchen, um Entscheidungen zu treffen, doch es wird in der Vergangenheit schon irgendeinen Nutzen für uns gehabt haben. Deshalb halten wir uns daran.“ Und darum geht es. Führung funktioniert auch ohne Führungskräfte. Führung funktioniert über die Muster, die sich als führend herausgebildet haben. Und das hat viel weniger mit einzelnen Führungskräften zu tun als die meisten annehmen. Der Blick muss sich von den Führungspersonen weg auf das Unternehmen richten, das geführt werden soll. Das heißt konkret, es muss die Frage gestellt werden: „Welche Muster haben sich bei uns etabliert?“ Führung wird so zu einer Funktion, die das Überleben einer Organisation sicherstellen soll.  In dem Moment, wo gefragt wird: „Wollen wir das in Zukunft genau so oder anders machen“, vollzieht sich erst Führung.

Zweiter Denkfehler: Führungskräfte führen Menschen

Auf dieser Annahme begründet sich der Wirtschaftszweig der Seminar- und Trainingsanbieter. Führungskräfte lernen in den Programmen, wie Menschen denken und handeln, befassen sich mit Typologien, Persönlichkeitstests und situativer Führung. Die Idee dahinter ist, dass jeder Mensch aufgrund seiner Psyche anders geführt werden muss, der eine braucht die klare Ansage, der andere würde bei derselben in Tränen ausbrechen und demotiviert abziehen, das klingt schlüssig ist aber auch komplex. Wer nun meint, man könne eine Organisation führen, indem man sich möglichst gut mit den einzelnen Menschen bzw. Psychen auskennt, der macht es sich schwer, die Komplexität steigt ins Unendliche. Und nebenbei bemerkt funktioniert das so auch nicht, denn der Einfluss einer einzelnen Psyche auf eine Organisation ist sehr gering (siehe oben). Stattdessen sollte sich der Blick auf die Kommunikation richten, die in einem Unternehmen entsteht. Denn nur was in die Kommunikation gelangt, hat eine Bedeutung für das Unternehmen. Und es gelangt bei weitem nicht alles, was sich in einem Menschen abspielt, in die Kommunikation. Das heißt leider auch, dass Kompetenzen eines Menschen nicht zwangsläufig zu Kompetenzen eines Unternehmens werden. Führungskräfte sollten besser darin geschult werden, Kommunikation zwischen ihren Mitarbeitern und anderen Akteuren im Unternehmen zu beobachten, zu bewerten und Bedingungen zu schaffen, die nützliche Kompetenzen sichtbar werden lassen.

Dritter Denkfehler: Erfolg lässt sich kontrollieren

Das neue Produkt ist ein Flopp, die Entwicklungsleiterin wird entlassen. Der Aktienkurs steigt, der Vorstand bekommt einen Bonus. Ganz klar, schließlich haben die Führungskräfte offensichtlich falsche Entscheidungen getroffen. Doch Führungskräften wird die Verantwortung für etwas zuschrieben, das sie nicht direkt beeinflussen können. Ob ein Unternehmen Erfolg hat oder nicht, das ist nicht kontrollierbar. Es folgt seiner eigenen Logik. Ein soziales System gleicht einem lebendigen Organismus mehr als einer Maschine. Ob sich eine Gruppe von Mitarbeitern an die Anweisungen ihrer Vorgesetzten hält, ist das Ergebnis eines komplexen Kommunikationsprozesses. Von Kontrolle kann hier nicht die Rede sein. Aus stets aktuellem Anlass ein Ausflug ins Fußballstadion: Ob die deutsche Mannschaft Weltmeister wird oder nicht, das kann Joachim Löw nicht kontrollieren. Er kann während des Spiels nicht plötzlich aufs Feld rennen und selbst ein Tor schießen oder einen Ball halten. Er kann die Mannschaft nur optimal vorbereiten, ihnen die richtige Strategie vermitteln und das Zusammenspiel trainieren. Eine noch wichtigere Funktion für den Erfolg ist aber wohl, dass sich die Spieler an Regeln halten, die der Coach auch nicht ändern kann. Fest steht, eine Führungskraft muss nicht alles wissen oder können, sie muss soziale Kommunikationsprozesse so organisieren, dass am Ende tragfähige, nachhaltige Entscheidungen möglich werden;„Schieße ich jetzt aufs Tor oder besser auf Rechtsaußen?“

 

Anmerkung der Autorin: Die hier getroffenen Unterscheidungen basieren auf der Systemtheorie. Wer auf den Geschmack gekommen ist, sich nun wütend die Haare rauft oder aus einem anderen Grund nachlesen möchte, sei zum Beispiel verwiesen auf:

 

Grubendorfer, C. (2016): Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur. Heidelberg (Carl Auer)

Simon, F. B. (2007): Einführung in die systemische Organisationstheorie. Heidelberg (Carl Auer).

Wimmer, R. (2009): Führung und Organisation, zwei Seiten ein und derselben Medaille. Revue für postheroisches Management, Heft 4.

Wohland, G. & Wiemeyer, M. (2012): Denkwerkzeuge der Höchstleister. Lüneburg (Unibuch).