Ein meiner Ansicht nach vielfach unterschätztes und möglicherweise auch einfach noch unbekanntes Seminarformat ist das der gruppendynamischen Trainingsgruppe (T-Gruppe). Weiterhin wird jeder der schon einmal an einer T-Gruppe teilgenommen hat, mir zustimmen, dass man Außenstehenden nur schwer beschreiben kann, was genau das Seminar so besonders macht. Denn rein von den Fakten her hört es sich erstmal nach nicht viel an:
- 5 Tage von morgens bis abends Seminarzeiten (mit Pausen)
- 8 – 12 Teilnehmer, die sich einander so wenig wie möglich kennen pro Gruppe
- ein Trainer & eventuell ein Co-Trainer
- Arbeitsauftrag über die gesamte Zeit: „Eine Gruppe werden“
Was macht dieses Format also so besonders? Inwiefern unterscheidet es sich von den ganzen anderen Seminarangeboten auf dem Markt? Warum könnte es in unserer heutigen Zeit so relevant sein?
Doch von vorne: Was bedeutet es eigentlich „eine Gruppe zu werden“? Die Gruppe ist eine Form menschlichen Zusammenlebens und Interagierens. Wir Menschen befinden uns sowohl privat als auch beruflich ständig in Gruppen. Sei es in der Familie, beim Sport oder in einem Projektteam. Jede Gruppe ist anders und möglicherweise kann dieselbe Person in unterschiedlichen Gruppen, unterschiedliche Rollen oder Funktionen übernehmen. Speziell diese Rollen und Funktionen entwickeln Gruppen erst über die Zeit, durch Beziehungen, die die einzelnen Individuen innerhalb der Gruppe zueinander aufnehmen und knüpfen. Diese These steht losgelöst von formal geregelten Rollen und Funktionszuschreibungen. Als solche sind sie zwar auch relevant, aber zumeist bildet sich während der gemeinsamen Arbeit noch eine informelle Struktur, die nicht immer analog zu der formalen Struktur ist. Der informelle Prozess läuft allerdings selten konfliktfrei ab, da in der Auseinandersetzung mit anderen Menschen immer auch unterschiedliche Interessen, Vorlieben und Bedürfnisse geltend gemacht werden wollen. Die Gruppe, bestehend aus vielen Einzelnen, kann dabei nicht all diesen Anforderungen individuell gerecht werden, woraus dann auch die Konflikte resultieren. Komplexer wird das Konfliktpotenzial, wenn zu den informellen Unstimmigkeiten auch noch formale Inkonsistenzen dazu kommen.
Aber genau das passiert vielfach im Arbeitsalltag. Projektteams oder -gruppen werden gebildet, um eine bestimmte Aufgabe zu erledigen oder Ziele zu erreichen. Die vermeintliche (formal beauftragte) Leitung schafft es nicht sich durchzusetzen. Ihre Teammitglieder beschweren sich, es kommt zu Konflikten. Und das ist nur ein Grund, warum Teamarbeit häufig so anstrengend und belastend für die Team-Mitglieder werden kann. Umgekehrt kann Arbeiten in einem funktionierenden Team unheimlich sinnstiftend und produktiv sein. Dann nämlich, wenn sich die einzelnen Elemente ergänzen, gegenseitig bestärken und befähigen. In vielen Studien wurde gezeigt, dass Gruppen leistungsfähiger, kreativer und effizienter sind als Individuen
Umso hilfreicher ist es, wenn man die informellen Strukturen und deren Entstehung von Gruppen besser kennt, seine eigene Rolle in Teams/Gruppen reflektieren und auch ansprechen kann und auch andere Team- oder Gruppenmitglieder dazu befähigen kann, es einem gleich zu tun. Über diese drei Komponenten kann man in einer T-Gruppe viel lernen und sie in seinen Arbeitsalltag integrieren. Ob als Führungskraft, als Angestellter oder Selbständiger. Ein solches Wissen kann einem nahezu überall helfen. Spindler und Wagenheim (2013) schreiben in diesem Kontext über drei Level des Lernens in T-Gruppen:
- Individuelles Lernen (der Teilnehmer lernt über seine Gedanken, Verhalten und Gefühle)
- Interpersonales und Subsystem Lernen (Teilnehmer über Teilnehmer, Teilnehmer über Untergruppe, Untergruppe über Untergruppe und Beziehungen im Allgemeinen lernen)
- „Gruppe als System“ Lernen (Kollektiv kreierte Gruppe die als sozialer Körper mit Normen, Regeln, Kommunikationsmustern und Grenzen lernt)
Bei einer T-Gruppe steht das „Gruppe als System“-Lernen im Vordergrund und die beiden anderen Ebenen werden eher als Beiprodukt gesehen. Somit kann genau über die informellen Strukturen gelernt werden. Hierin liegt zum einen die Besonderheit einer T-Gruppe und zum anderen auch schon einer der markantesten Unterschiede zu anderen Seminarformaten. Weiterhin kann durch den partizipativen Charakter einer T-Gruppe (ohne sich selbst an dem Seminar zu beteiligen, kann man auch nichts über sich, andere und Gruppen lernen), etwas gelernt werden, dass auch gleich an eigene Erfahrungen rückgekoppelt wird. Gerade in unserer heutigen Zeit, in der Teamarbeit immer mehr in den Fokus rückt, werden soziale Fähigkeiten immer wichtiger. Dabei geht es nicht nur darum, über sich selbst und die eigene Rolle in Gruppen zu lernen, sondern auch darum wie Gruppe als Ganzes funktioniert. Diese Fähigkeiten zu entwickeln oder zu verfeinern bedarf einer sensitiven Atmosphäre. Die T-Gruppe bildet dabei eine Möglichkeit sich und seine Perspektiven weiterzuentwickeln.
Abschließen möchte ich mit drei Fragen, über die Sie nach dem Besuch einer T-Gruppe mehr Klarheit haben werden
- Wer übernimmt in einem Team/Gruppe die informelle Führung und wie?
- Wie beeinflusst Sympathie/Vertrauen die Arbeit mit Teams/Gruppen?
- Wie gehen Gruppen mit den Anforderungen der VUCA-Welt um?
Für mehr Informationen über die Gruppendynamik und das Format der gruppendynamischen Trainingsgruppe:
Spindler, M., & Wagenheim, G. (2013). The difference in focus: How to create group-as-system level learning in t-groups. In A. Schüller & M. Spindler (Eds.), Here & Now Collected Writing on Group Dynamics (pp. 21-32). Vienna: Verlagshaus Hernals.
Sunstein, C. R. (2006). Infotopia: How many minds produce knowledge: Oxford University Press.