Wir beobachten immer stärker, dass sich Organisationen zunehmend ihre eigene Organisationsberatung im Haus aufbauen. Das geht von der Schaffung einer solchen Rolle für einzelne HR-Akteure bis hin zum Aufbau ganzer Business Units mit hoher Personenstärke. Die Bezeichnungen sind höchst verschieden, festhalten lässt sich aber, dass diese Abteilungen selten den Titel „Beratung“ tragen. Und häufig arbeiten dort exzellente Berater:innen. Solche, die man sonst eigentlich eher in originären Organisationsberatungen oder als Freelancer antrifft.
Hier brechen neue Zeiten an.
Und es braucht zwei, die dazu gehören. Zum einen die Unternehmen, denen ihr Handlungsbedarf klar wird und die verstehen, dass ihre notwendige Transformation (denn darum geht es) nicht „einfach so“ stattfindet und die sich deswegen für den Aufbau ihrer Inhouse-Beratungsstruktur entscheiden und auf der anderen Seite Beratungsexpert:innen, die sich auf das Experiment einlassen, von „innerhalb“ an der Organisation zu arbeiten.
Denn genau das ist ja nicht ganz einfach.
Die Gründe, sich externe Beratung zu holen, sprechen für sich: Die Externen schauen mit einem Außenblick auf die Organisation und können so häufig schneller „Spielregeln“, Kommunikationsmuster und „Fragwürdiges“ identifizieren und benennen. Zugleich fällt es ihnen leichter, unbequem zu sein – sie haben qua Rolle das Mandant anzuecken und zu irritieren. Das macht sie unabhängiger von internen Befindlichkeiten und Stimmungen. Auch sind externe Berater:innen nicht aus anderen Rollen schon vorgeprägt und es gibt keine „inneren“ Konflikte, weil man möglicherweise mit mehreren Rollen im Unternehmen unterwegs ist.
Weitere Relevanz hat der umfassende Blick. Als externe Beraterin sieht und erlebt man viel und letztlich ist es neben methodischem Rüstzeug das, was die eigene Beratungskompetenz mit ausmacht: vielfältige Kunden und breite Branchenerfahrungen führen zur Expertise.
Schwere Pfunde in der Waagschale.
Wenn also soviel für externe Beratung spricht: Warum findet der Shift nach innen dennoch statt?
Wer sich der Entwicklung „seiner“ oder „ihrer“ Organisation verschrieben hat, ist als Inhouse Berater:in an der richtigen Stelle. Denn der interne Blick auf das eigene Unternehmen ist natürlich kenntnisreicher als die externe Perspektive. Interne Beratung ist mitunter verknüpft mit anderen Jobs in der Organisation – von Controlling über Personalentwicklung hin zu Vertrieb. Aus dieser „anderen“ Rolle heraus können Probleme erkannt werden, deren Identifikation ein tiefes Wissen über die hochkomplexen Zusammenhänge und Restriktionen in Organisationen erfordern. Und selbst, wer als 100prozentige Berater:in in der Organisation beschäftig ist, kriegt an den Schnittstellen natürlich dennoch mehr mit als jemand von außen.
Dadurch ist Inhouse-Beratung natürlich anschlussfähig, spricht die gleiche Sprache und hat genügend Geländeerfahrung, um einschätzen zu können, mit welchen Mitteln man Veränderungen „organisiert“ bekommt. Das heißt, wo es Ressourcen, Support, Management Attention und Entscheidungen zu holen gibt. Detaillierte Kenntnis der organisationsinternen Praktiken, Führungsstile, Kultur und Dynamiken und die Vernetzung im Haus sind ebenfalls nicht zu unterschätzen.
Doch das bedeutet leider nicht, dass die so erzielte Umsetzung von Beratung auch immer die richtige ist.…
Denn genau das kann dazu führen, dass Inhouse Beratung logischerweise die gleichen blinden Flecken und „Pain Points“ wie die Organisation selber haben kann. Wenn bestimmte Aspekte ganz selbstverständlich nicht betrachtet werden, braucht es seitens der internen Beratung geeignete Analysemethoden und Instrumentarien, um sich selber auf die Schliche zu kommen.
Und auch wenn die Beschaffung notwendiger Ressourcen häufig leichter ist, führt dies gleichzeitig dazu, dass nur die internen Standards und Methoden angewendet werden. Dass dies nicht immer den gewünschten „Ruck“ für das Thema bringt, können wohl alle bestätigen, die schon mal von internen Veränderungsprojekten ihrer Organisationen direkt oder indirekt betroffen waren… Hier ist dann die Anschlussfähigkeit zu hoch, würden wir sagen. Es wird nicht genügend Wirksamkeit entfaltet, weil die Interventionen nicht – im positiven Sinne – irritierend genug sind.
Und wenn wir schon von Leidensfähigkeit sprechen, müssen wir auch die Gefahr des „Absägens“ adressieren. Wer als interner Berater zu „anstrengend“ ist, findet sich unter Umständen schneller als gedacht in neuen Rollen wieder, die so plötzlich gar nichts mehr mit Mitgestaltung zu tun haben… Das passiert sicherlich nicht häufig, aber gleichzeitig ist genau dies ein häufiger Antrieb sich Externe ins Haus zu holen – die ist man im Fall der Fälle auch schnell wieder los. Viele wünschen sich Sperrigkeit und Eckigkeit. Gleichzeitig soll die Unruhe nicht im Haus entstehen. Da wird dann eher der externe Berater gefragt, unbequem zu sein.
Was bedeutet all dies für die (externe) Beratung?
Vielleicht kommen wir zu einer neuen Rollenverteilung und neuen Aufgaben: Anfragen, die uns im Moment erreichen, haben verstärkt das Ziel, die Inhouse-Beratung bei ihren Projekten zu unterstützen. Es wird dabei deutlich mehr nach Sparring, Impulse geben, Anschubsen und Irritieren gefragt, als nach operativer Prozessbegleitung im Rahmen einzelner Projekte. Co-Existenz ist möglich und sinnvoll. Uns macht es Spaß in diesen Projekten unterwegs zu sein und gewissermaßen im ThinkTank-Team der Organisation die richtigen Akzente zu setzen. Wir haben die starke Hypothese, dass gute Inhouse-Beratung weiß, dass es ohne die Externen nicht gehen kann. Gerade Top Level-Projekte und Transformationsprozesse werden auch künftig stark von Externen begleitet werden (müssen).