Um die Welt der Marken dreht es sich bei LEA Berater Timo Schips schon über 20 Jahre. Früher gab es vor allem Produktmarken. Heute gibt es Unternehmensmarken, Arbeitgebermarken, Personenmarken, Einzelmarken, Familienmarken, Handelsmarken, Servicemarken und noch viele andere mehr. Mittlerweile ist gefühlt jeder eine Marke, wer was auf sich hält. Was ist aber eine Marke im eigentlichen Sinne und wie entwickelt man diese? Als Markenstratege beschäftigt er sich täglich mit diesen Fragen. Was hinter einer guten Markenstrategie steckt und was es dazu braucht, darüber sprechen wir mit ihm.
LEA: Fangen wir klein an: Was ist eine Marke bzw. was ist keine Marke?
Timo Schips: [lacht] Das ist wirklich keine ganz so kleine Frage. Denn gefühlt gibt es fast so viele Definitionen davon, was eigentlich eine Marke ist, wie die Anzahl an Marken, mit denen wir uns tagtäglich umgeben. Aber mal Spaß beiseite. Im ursprünglichen Sinne gibt es im Kern zwei Definitionsrichtungen: 1. das juristische Verständnis einer Marke als rechtlich geschütztes Herkunftszeichen und 2. die Sichtweise aus dem Marketing, bei der eine Marke die Summe aller Erlebnisse ist, die man mit einem Produkt, einer Dienstleistung oder auch einer Organisation verbindet. Heutzutage beschränkt man sich nicht nur auf die klassische Definition aus dem Marketing, denn wie du ja schon in deiner Einleitung gesagt hast, irgendwie ist ja heute alles eine Marke. Neben Produkten und Dienstleistungen sind auch Unternehmen z.B. als Arbeitgeber sowie auch einzelne Individuen eine Marke. Wir kennen ja alle die Redewendung „Du bist aber ‘ne Marke.“, die wir für Personen verwenden, die etwas Markantes oder etwas Besonderes ausdrücken. Es geht also bei Marken nicht nur um den Absender und dessen Botschaften, sondern immer um individuelle Wahrnehmung. Daher sind Marken für mich strategisch geplantes Kopfkino.
LEA: Aha, strategisch geplantes Kopfkino. Das musst Du aber mal näher erläutern.
TS: Strategische Markenarbeit hat immer mit Menschen, deren Interaktion und deren Emotionen zu tun. Es geht um Assoziationen, Bilder, Werte, die man mit einer Marke verbindet. Und im Idealfall ist es eben ein ganzes Kopfkino, das bei uns entsteht, wenn wir an eine Marke denken. Fürs Kopfkino ist es auch wichtig, dass Marken einen klaren Fokus und eine klare Haltung haben. Lieber Kante zeigen als im allgemeinen Gewäsch weichgespühlter Markenbotschaften unterzugehen. Dies gilt natürlich nicht nur für das Marketing, sondern vor allem auch für Unternehmens- und Arbeitgebermarken. Gerade beim Employer Branding muss man sich darüber klar werden, welchen Typus Mensch man passend für eine Organisation findet und welchen eben nicht. Und das hat viel mit Kante zeigen zu tun.
LEA: Was fasziniert Dich besonders an strategischer Markenarbeit?
TS: Eine Marke kann man nicht im stillen Kämmerchen und in völliger Isolation einfach mal so kreieren. Ein tiefes Eintauchen in die Herausforderungen unserer Kunden und deren Zielgruppen sowie aktuelle Markt-, Gesellschafts- und Technologietrends sind essentiell. Und das hat sehr viel mit miteinander reden zu tun, sich gemeinsam an Themen reiben und dadurch auf Neues zu stoßen. Interessanterweise geht es auch oft darum, etwas bei unseren Kunden herauszuholen, was irgendwie tief in ihnen und ihren Organisationen schon schlummert. Diese Trüffelsuche und das kreative AusIhnen-Herauskitzeln und das gemeinsame Neu-Gestalten fasziniert mich.
LEA: Du bist ja schon lange im Geschäft. Wie hat sich das Markenverständnis und der Umgang mit ihnen über die Jahre verändert?
TS: Obwohl ja jeden Tag ein neues Buzzword und neue innovative Methoden durch die Medien getrieben werden, hat sich aus meiner Sicht bei der strategischen Markenentwicklung im Grunde wenig verändert. Es geht wie vor zig Jahrzehnten darum, sich darüber klar zu sein, wer man als Marke ist, wo man als Marke hinmöchte und was die effizienteste Strategie dafür ist, dort hinzukommen. Was sich verändert hat, sind die Methoden und Terminologien bzw. Ausdrucksform, die wir in der Entwicklung von Markenstrategien verwenden. Was früher ein Markenkern und Markenversprechen war, muss heute mindestens Brand Purpose und Brand Manifesto oder im speziellen Fall der Arbeitgebermarke eine Employer Value Proposition sein. Zudem sind Markenkontexte v.a. durch die Vielzahl an nutzbaren Kanälen viel komplexer als früher. Aber gerade darin steckt ja die Herausforderung und das Spannende für uns Markenstrategen.
LEA: Was ist wichtig auf dem Weg hin zu einer guten Positionierungsstrategie? Welche Weichen müssen gestellt sein, damit es ein kreativer und geschmeidiger Markenstrategieprozess wird?
TS: Aus meiner Sicht sind das im Wesentlichen zwei Punkte: 1. Commitment und Involvement der gesamten Organisation: Oftmals spricht man als Markenstratege vor allem mit den Marken- und Marketingverantwortlichen. Um aber eine Marke vollumfänglich zu definieren und zum Leben zu bringen, müssen alle Organe einer Organisation in die Entwicklung integriert werden. Das beginnt beim Vorstand, über Vertrieb und Personal bis hin zu Abteilungen, die sich mit Organisationsstrukturen und Organisationskultur beschäftigen. 2. Strategiedenke muss auch Umsetzungsdenke sein: Es bringt wenig, eine Strategie im Elfenbeinturm zu entwickeln und dann nach Wochen stolz ein rein strategisches Powerpointdeck zu präsentieren. Bei jeglicher Strategieentwicklung muss auch immer gleich an die Implementierung gedacht werden. Sprich: Im Idealfall sitzen alle relevanten internen und externen Umsetzungspartner gleich von Anfang an mit am Tisch.
LEA: Aktuell sprechen alle über den Umbau in Unternehmen und Wandel von Arbeitswelten – agile Transformation, New Leadership, Digitalisierung sind viel besungene Buzzwörter – welchen Einfluss haben diese Entwicklungen für die Markenarbeit?
TS: Wie vorhin schon gesagt, sind die Markenkontexte viel komplexer geworden. Die erwähnten Buzzwörter sind nur einige Beispiele, die als Einflussfaktoren bei der Markenarbeit berücksichtigt werden müssen. Letztendlich sehe ich das aber als persönliche Herausforderung, mich immer wieder in neue Kontexte einzudenken, neue Methoden anzuwenden mit dem Ziel, eine Organisation vollumfänglich zu beraten. Ganz gemäß unseres LEA Claims „Become a better organisation”.
LEA: LEA hat sich aus der Arbeitgebermarkenentwicklung zur systemischen Organisationsberatung entwickelt. Wie passen diese beiden Schwerpunktbereiche zusammen?
TS: Die beiden Bereiche passen ganz prima zusammen. Vor allem bei Employer Branding Projekten sehen
wir immer wieder, dass es nicht nur darum geht, eine attraktive Arbeitgebermarke zu entwickeln. Vielmehr sind Aspekte rund um Führung, Organisationsentwicklung und Change / Innovation immer Thema bei jedem Employer Branding Projekt. Und genau da greift der Ansatz der systemischen Organisationsberatung als stark von innen getriebene und holistische Methodik der Problemlösung. Welche Tipps hast Du für Unternehmen, wenn es darum geht, Markengeschichte zu schreiben? Markengeschichte zu schreiben ist ja etwas anderes als in die Markengeschichte einzugehen. Letztendlich ist Ersteres auch das wichtigere. Denn Unternehmen können nur Markengeschichte schreiben, wenn es ihre eigene ist, sprich stark von innen heraus entwickelt wird. Und da ist es wichtig authentisch zu bleiben und sich nicht aktionistisch von allen neuen Buzzwords leiten zu lassen. In die Markengeschichte einzugehen ist dann das Ergebnis, wenn man einen sehr sehr guten Job macht.