Hallo, hier spricht dein Drang nach Perfektion. Dieser Perfektionismus, den man in Bewerbungsgesprächen gerne mal als eigentlich starke „Schwäche“ verkauft. Dieser Perfektionismus, der es dir möglich gemacht hat, nach 10 Stunden Arbeit die schönste 10-Minuten Präsentation im Quartal zu halten. Dieser Perfektionismus, der scheinbar dafür sorgt, ein wertvoller Teil vom Team zu sein.
Wie findet man denn „Perfektion“, die sich einem so vorstellt? Wahrscheinlich schon ein bisschen schlecht, aber irgendwie auch ziemlich gut. Perfektionismus scheint mit guter Leistung, Erfolgen und Wertschätzung daher zu kommen – aber ist das wirklich so? Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, brechen Karin Lausch und Christina Grubendorfer in der LEA-Podcastfolge 87. „Studiozeit: Warum Perfektion lebensbedrohlich ist“ mal eine Lanze fürs Unperfekte:
Perfektion ist laut Duden-Definition ja erstmal ein fast unantastbar-toller Zielzustand: eine höchste Vollendung von allem, was wir anpacken. Wie das ganze angepackt wird, ist aber ein gutes Stück weniger rosig: dem Drang nach Perfektion liegt häufig eine defizitäre, deprimierende Betrachtung der Ist-Situation zugrunde. Oder etwas weniger hochgestochen ausgedrückt: Wir scannen unser Umfeld ständig danach, was aktuell noch nicht läuft – jeden Fehler und jeder noch nicht umgesetzten Möglichkeit, die unserem „Ist“ gegenüber dem „Soll“ unvollständig macht.
Dabei liegt in der Unvollkommenheit riesiges Potenzial. Haben wir mittlerweile nicht schon oft genug gehört (und erfahren), dass in unserer schnelllebigen Welt, das, was heute perfekt ist, morgen schon überholt sein kann? Hat unser Gewohnheit-liebendes Großhirn nicht schon oft genug gemeldet, wie stressig das ist? Warum also als Lösung nicht einfach mit der Unvollkommenheit anfreunden? Das soll heißen, Fehler und nicht Umgesetztes nicht als schlechtes sehen. Ein „Fehler“ ist vielleicht der genau richtige Ausflug in eine falsche Richtung, den es gebraucht hat, um zu wissen, was ein guter Weg sein könnte. Die nicht ergriffene Möglichkeit in „der Präsentation des Quartals“ noch 10 tolle Animationen einzubauen, tat dem Erfolg bei den Vorgesetzten letztendlich wahrscheinlich nicht den geringsten Abbruch. „Fehler + nicht genutzt Möglichkeiten = schlecht“ könnten wir also einfach aus unseren Glaubenssätzen streichen.
So einfach, das Unvollkommene als tolle Lösung zu sehen, ist es dann aber natürlich nicht. Warum, wird gut deutlich, wenn man Karin Lausch im Podcast kurz in die Transaktionstheorie abtauchen hört. Die Theorie geht davon aus, dass Perfektionismus ein ganz natürlicher Antreiber ist. Der Grund: Perfektionismus ist ein Mittel, um zu den Dingen zu kommen, die sich alle Menschen – manche mehr, manche weniger – wünschen: Anschluss finden, Wertschätzung bekommen, Teil von etwas Tollem sein.
Deshalb reicht es auch nicht, einfach zu planen, das eigene Streben nach Perfektion abzustellen. Es braucht dann ja immer noch etwas, wie wir diese Wünsche erfüllen können. Schön, dass Anschluss, Wertschätzung und gute Leistung auch mit „unvollkommenen“ Herangehensweisen durchaus erfüllbar sind. Wahrscheinlich tun wir das auch alle schon tagtäglich: Anschluss passiert über den mittelmäßig guten Witz auf dem Gang. Wertschätzung bekommt man schon dafür, einfach mal zuzuhören, wo etwas nicht gut lief. Und gute Leistung ist doch – wenn wir uns mal der Faustformel schlechthin bedienen – auch oft schon bei 80 % des Umgesetzten mit 20 % der Zeit erreichbar. Um Perfektion den Kampf anzusagen, könnte es also reichen, einfach mehr auf diese Herangehensweisen zu fokussieren. Ganz nach dem Motto: Tschüss Perfektionismus, Hallo schöne Unvollkommenheit.
Und wer mehr davon hören möchte, wie sich das Konzept von Perfektionismus auf ganze Organisationen übertragen lässt und warum wir in dem Kontext häufig ganz falsch von Fehlerkultur sprechen – der oder die wird beim Podcasthören sicherlich fündig. Viel Spaß dabei!