LEA Interview mit Laura Dahm: „Der tiefere Sinn hinter einer wirkungsvollen Marke“

Im Interview mit Laura Dahm, LEA Markenstrategin & systemische Organisationsberaterin

1. Liebe Laura, wenn Menschen Dich zu Deiner Arbeit als Markenstrategin befragen, wo legst Du den Aufmerksamkeitsfokus drauf? Was sind Deine persönlichen Antreiber?
Das kommt darauf an, wer mich das fragt. Besonders spannend wird es ja, wenn man „Markenstrategie“ einem Laien, seiner Oma zum Beispiel, erklären möchte. Da fällt es mir und dem Gegenüber immer am leichtesten, wenn ich das Bild der Persönlichkeit in Analogie zu einem Menschen verwende: Ein in sich (im Kern) gefestigter Charakter, der sich über die Jahre und Jahrzehnte anpasst und wandelt und trotzdem immer erkennbar bleiben wird.
Diesen identitätsbasierten Fokus setze ich auch im professionellen Kontext, denn ich glaube fest an die Kraft aus der eigenen Heritage heraus. Oft wird nach intensiver Analyse das Bauchgefühl vom Anfang bestätigt und dann weiß ich, dass die Marke, an der ich gerade arbeite, schon sehr gut aufgestellt ist und es nun v.a. darum geht, dieses Gefühl mal auf den Punkt und zu Papier zu bringen.
Zu einer sauberen Markenarbeit gehört natürlich auch, sich das Marktumfeld und die Adressatengruppen anzuschauen. Schließlich existiert eine Marke nicht im luftleeren Raum, sondern in der Resonanz mit Außen.

2. Markenarbeit ist tiefschürfend und kann gegebenenfalls auch organisationale Veränderungen bedeuten. Wie verknüpfst Du diese beiden Pole: Kreation > Marke und Organisationsentwicklung?
Meines Erachtens wurde bisher nicht ausreichend darauf geachtet, welchen Effekt ein Re-Branding, also die Überarbeitung der Markenidentität und somit ihrer visuellen Erscheinung, haben kann. Letztlich ist auch Markenentwicklung ein Change-Prozess, der von den Mitarbeitenden selber getragen werden muss und im besten Falle auch von ihnen von Anfang an mitgestaltet wird.
Das wurde mir besonders klar als ich vor einigen Jahren den Auftrag bekam, die Mitarbeitenden von der zuvor von Geschäftsleitung und Marketing entwickelten Marke zu überzeugen. Es stellte sich sehr schnell raus, dass das so nicht funktionieren würde und am Ende mussten wir die Markenentwicklung nochmal neu starten – mit allen an Bord.
Umgekehrt plädiere ich aber auch bei Organisationsentwicklungsprojekten dafür, dass wir die in Gang gesetzten Prozesse auch durch gute interne Kommunikation begleiten und dafür „markige“ Elemente wie Slogans oder Visuals etablieren. In Zeiten der Veränderung wird ein solches „Markieren“ im besten Falle zum Halt und Orientierung gebenden Anker für die Mitarbeitenden.

3. Wie hat sich Deine Arbeit an Marken und die Begleitung von Unternehmen verändert? An welchen Umwelteinflüssen machst Du das fest?
Die Anzahl der Projekte aus dem Bereich Employer Branding und Interne Kommunikation haben sich in den letzten 4 Jahren deutlich erhöht und auch im Kontext „normaler“ Markenstrategie-Projekte ist die Nachfrage nach dem Mitnehmen der Mitarbeitenden spürbar angestiegen.
Dies schreibe ich v.a. der neuen Macht von Arbeitnehmern und den anspruchsvoller werdenden, nachwachsenden Generationen zu, um die sich Unternehmen heute bemühen müssen. Die neue Arbeitswelt ebnet den Weg für Wertschätzung, Transparenz und Partizipation.
Gleichzeitig spüre ich eine neue Offenheit gegenüber dem systemischen Ansatz des Zuhörens, Begleitens und vorsichtigen Intervenierens; des Ermächtigens, Lernen als Chance zu begreifen und die eigenen Potenziale zu nutzen.

4. Was treibt Dich weiterhin jeden Morgen aus dem Bett? Welches WHY-Narrativ steckt dahinter?
Meine Neugier gilt der Schnittstelle zwischen Markenstrategie und Organisationsentwicklung – deren gegenseitiger Bedingtheit und Auswirkung. Die Kombination dieser zwei unterschiedlichen Perspektiven eröffnet neue Möglichkeiten der Arbeit an der Marke und mit der Organisation: Neue Beobachtungen. Neue Herangehensweisen. Neue Lösungswege. Es ist für beide Seiten gleichermaßen eine Bereicherung, die andere Seite mitzudenken und zu nutzen.

5. Längst geht es nicht mehr nur um die private Sinnstiftung, sondern „Purpose-Driven-Organisation“ gewinnen in der Betrachtung von Unternehmen zunehmend eine Rolle. Welche Bedeutung spielt der Unternehmenspurpose in Deiner Arbeit?
Solche Buzz-Words klingen zwar sexy und greifen relevante gesellschaftliche Aspekte auf, werden aber allzu oft unhinterfragt angewandt oder gar falsch aufgeladen. Mit der Formulierung eines Purpose geht ein hoher Anspruch an das Unternehmen einher.
Daher ist für mich in diesem Kontext eine saubere Auftragsklärung erforderlich: Was versteht der Auftraggeber unter Purpose? Geht es um den reinen Unternehmenszweck oder um einen „höheren“ Auftrag, eine Sinnhaftigkeit? Und wen soll der Purpose maßgeblich adressieren? Soll er das Image gegenüber den Kunden prägen und/oder soll er den Mitarbeitenden Orientierung geben?
Ich versuche also gemeinsam mit dem Auftraggeber zu klären, was er sich von einem Purpose verspricht und welchen Mehrwert er im Vergleich zur bestenfalls bestehenden Markenidentität liefert. Schließlich sollte die Markenidentität an sich schon sinnstiftend sein.

6. Was ist daran „alter Wein in neuen Schläuchen“?
Das ist eine berechtigte Frage, da viele Unternehmen m.E. den Purpose gleichsetzen mit der Vision oder Mission oder sogar dem Markenkern. Deshalb bemühe ich mich um eine klare Definition und Abgrenzung gegenüber anderen Begrifflichkeiten rund um Unternehmens- und Markenstrategie.
Ein ehrlich gemeinter und weitblickender Purpose passt zum Zeitgeist und kann sehr viel Neues, Visionäres, Weltverbesserendes zu einer Unternehmung hinzufügen. Der Begriff kann aber genauso auch nur eine leere Worthülse bleiben, ein nicht einzulösendes und wenig zur Unternehmung passendes Versprechen. So bleibt die Arbeit am Purpose eine Gratwanderung zwischen echter Ambition und reinem Marketingtool.

7. Welche drei Empfehlungen würdest Du Unternehmen heute für eine nachhaltige Markenentwicklung bzw. Realisierung geben? Könnte man in diesem Zusammenhang von „Purpose Driven Brands“ sprechen?

  1. Unternehmen sollten Marke nicht nur als Marketingtool betrachten, sondern auch als Selbstverständnis nach innen, denn nur das Commitment der Mitarbeitenden macht eine Marke lebendig.
  2. Unternehmen sollten der Implementierung der Marke nach innen und außen genauso viel Energie und Invest zuteilwerden lassen, wie der Markenentwicklung.
    3. Unternehmen sollten die aktuellen gesellschaftlichen Wandel ernstnehmen und in der Markenentwicklung reflektieren, z.B. anhand eines zum Unternehmen passenden und ehrlich gemeinten Purpose.
  3. Wenn dieser Purpose sich tatsächlich in ein größeres Sinngefüge einbettet und die Markenstrategie dieser Prämisse unterstellt wird, dann ließe sich der Begriff ‚Purpose Driven Brand‘ durchaus verwenden.