Die Firmengruppe Liebherr hat mittlerweile mehr als 39.000 Beschäftigte in über 130 Gesellschaften auf allen Kontinenten. Das Familienunternehmen Liebherr hat bereits wenige Jahre nach der Gründung im Jahr 1949 Niederlassungen und Produktionsstätten im Ausland aufgebaut und die eigene Internationalisierung vorangetrieben. Heute zählt Liebherr zu den größten Baumaschinenherstellern der Welt und ist auch auf vielen anderen Gebieten als Anbieter technisch anspruchsvoller, nutzenorientierter Produkte und Dienstleistungen weltweit aktiv.
Eckart von Zons
Head of Corporate Human Resources, Liebherr-International AG
Eckart von Zons ist für internationale HR Projekte der gesamten Firmengruppe Liebherr verantwortlich, mit einem Schwerpunkt auf Themen der Personalentwicklung. Er koordiniert die Zusammenarbeit von HR-Verantwortlichen aus den eigenständigen Gesellschaften der weltweiten Firmengruppe.
LEA: Herr Zons, wie präsent ist das Thema interkulturelle Zusammenarbeit in Ihrer täglichen Arbeit?
Eckart von Zons (EvZ): Ich habe regelmäßigen Kontakt mit Kollegen aus anderen Kulturen. Immer wenn wir an länderübergreifenden oder zentralen Projekten für die Firmengruppe arbeiten, sitzen Kollegen aus verschiedenen Kulturen an einem Tisch, so zum Beispiel bei Themen wie Employer Branding und Personalentwicklung.
Wobei sich kulturelle Unterschiede nicht nur zwischen Kollegen aus verschiedenen Ländern zeigen, sondern auch innerhalb eines Landes wie zum Beispiel zwischen Schwaben und Hamburgern auftreten können.
LEA: Woran macht es sich in Ihrer Arbeit bemerkbar, dass bei Liebherr Kollegen aus vielen Ländern und Kulturen miteinander zusammen arbeiten?
EvZ: Erst einmal in unterschiedlichen nationalen Rahmenbedingungen für unsere Personalarbeit. Wenn wir zum Beispiel an unseren HR-Prozessen arbeiten, kann es sein, dass wir in Frankreich ganz bestimmte Gesetze beachten müssen, in Deutschland den Betriebsrat einbeziehen sollten und in der Schweiz finden wir wieder andere Bedingungen vor. Doch wie wir bei Liebherr innerhalb einzelner Kulturkreise beispielsweise gemeinsam auf Personalentwicklung oder Führungskräftetrainings schauen, bestehen nur geringe Unterschiede zwischen den Kollegen.
Das liegt vielleicht auch daran, dass Liebherr durch eine starke Unternehmenskultur geprägt ist. Zwischen allen unseren Niederlassungen gibt es starke Gemeinsamkeiten, die länderspezifische Unterschiede zum Teil in den Hintergrund treten lassen. Wenn ich beispielsweise in England durch ein Liebherr-Tor trete, ist das schon so ein kleines „Coming Home“. Wenn ich Liebherr Personaler aus anderen Ländern das erste Mal treffe, verstehen wir uns meist auf Anhieb. Wir haben sofort eine gemeinsame Basis, um gut miteinander zusammen zu arbeiten.
Selbstverständlich macht es einen Unterschied in welcher Sprache man zusammenarbeitet. Wenn man sich auf Englisch verständigt und viele Beteiligte keine Native Speaker sind, verliert man an Präzision und Geschwindigkeit, es kann zu Missverständnissen kommen, die auszuräumen die Verständigung verlangsamen kann. Das ist aber ein normaler Preis der Internationalität. In einer internationalen Firmengruppe wie Liebherr ist es deswegen selbstverständlich notwendig bestimmte Dinge auf Englisch oder – wo immer es notwendig ist – in der jeweiligen Landessprache zu kommunizieren. Gerade wenn es darum geht Veränderungen zu kommunizieren, kann man das nicht nur auf Deutsch machen. Wir wollen die Leute in den verschiedenen Ländern ja mitnehmen. Da muss man die Sprache wechseln, sonst erreichen Sie keinen.
LEA: Angenommen Sie möchten bei Kollegen in anderen Ländern etwas bewirken, inwiefern gehen Sie dabei unterschiedlich vor, je nachdem mit welcher Kultur Sie es zu tun haben?
EvZ: Wenn es darum geht, bestimmte Themen in alle Landesgesellschaften auszurollen, achte ich darauf, dass das Thema vor Ort akzeptiert werden kann. Dazu muss man auch schon mal hinfahren und sich an einen Tisch setzen. Man kann nicht einfach sagen: „Das haben wir in Deutschland beschlossen und das macht Ihr jetzt bitte auch!“ Vielmehr würde ich mit ganz vielen Fragen auf die internationalen Kollegen zugehen: „Wie stehen Sie dazu? Was würde hier bei Ihnen vor Ort passen? Wo sollten wir Anpassungen vornehmen?“ Wenn man dann sensibel für die Reaktionen ist, erkennt man die Punkte, die in einem bestimmten Land nicht passen und kann dann darauf eingehen. Dazu kann zum Beispiel gehören, dass in einigen Kulturkreisen verstärkt darauf geachtet wird, „das Gesicht zu wahren“, andere Sichtweisen bezüglich Hierarchien bestehen, ein anderer Kommunikationsstil oder ein anderer Umgang mit Zeit gepflegt wird und es nicht gut ankommt, wenn Deutsche versuchen, „teutonische Vorschriften“ zu machen.
In bestimmten Kulturen kann man manche Prozesse nur Top-Down durchführen, obwohl vielleicht Bottom-up besser wäre. Denn wenn in einem Bottom-up erst einmal alle, z.B. vom Teamleiter aufwärts gesagt haben: „Das sehen wir so und so“, kann die Geschäftsführung nicht immer eine andere Position einnehmen. Deswegen mag ein solches Bottom-up Vorgehen in manchen Kulturen wirken, als hätten die Geschäftsführer keine Entscheidungskompetenz mehr. Das geht in manchen Kulturen einfach nicht. Dort drehen wir bestimmte Prozesse besser um und beginnen an der Spitze, auch wenn sie in anderen Ländern unser Firmengruppe Bottom-up verlaufen.
Trotz unserer starken Gemeinsamkeiten in allen Liebherr Niederlassungen, merken wir auch: Eine gemeinsame Firmenkultur kann etwas nivellieren, aber nicht gleich machen. Wir können ja nicht sagen. „Wir sind alle bei Liebherr, wir sind alle gleich!“
LEA: Inwiefern kann die Personalarbeit bei Liebherr Impulse setzen, um die Zusammenarbeit zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen bei Liebherr zu unterstützen?
EvZ: Zuerst einmal kann das Personalwesen mit gutem Beispiel voran gehen und interkulturelle Zusammenarbeit vorleben. So besetzen wir Arbeits- und Projektgruppen wie zum Beispiel unsere HR Steering-Group mit Kollegen aus unterschiedlichen Ländern – sofern sich dies im Hinblick auf die Reiselogistik wirtschaftlich rechtfertigen lässt.
Darüber hinaus kann die Personalarbeit interkulturelle Zusammenarbeit auch selbst zum Thema machen, immer wieder ansprechen, dass wir alle bei multinationalen Projekten auch interkulturelle Fragen der Zusammenarbeit berücksichtigen sollten. Deswegen bieten wir bei Entsendungen ggf. auch ein kulturelles Training an oder bereiten unsere Vertriebsmitarbeiter für Verhandlungen in anderen Kulturkreisen entsprechend ganz speziell vor. Und es lohnt sich zum Beispiel bei der Zeitplanung eines Projektes zu berücksichtigen, dass interkulturelle Zusammenarbeit mehr Zeit beanspruchen kann, als ein Projekt innerhalb eines Landes.
Außerdem unterstützt das Personalwesen bei Liebherr die internationale Mobilität unserer Mitarbeiter. Da verfolgen wir verschiedene Ansätze, in unterschiedlichen Formaten je nach Situation. Zum Beispiel: Wenn jemand für die Firma mit der Familie nach China gehen soll, dann könnte es sinnvoll, sein, dass vorher mal die ganze Familie auf Firmenkosten eine Woche nach China fährt und sich das Land anschaut, bevor die Entscheidung getroffen wird.
LEA: Sie sprachen gerade die internationale Besetzung von Arbeits- und Projektgruppen an. Das bedeutet ja tatsächlich einen enormen Reiseaufwand für die einzelnen Personen…
EvZ: Natürlich kann man manche Sachthemen auch mit virtuellen Meetings gut behandeln. Aber es gibt Themen, wo auch Videokonferenzen nicht mehr reichen und es auch wichtig ist, sich beim gemeinsamen Mittagessen, in Pausen, beim Small-Talk abends im Restaurant persönlich wahrzunehmen und als Menschen zu erleben: Wie reagiert der Andere auf meine Worte? Wann schmunzelt oder lacht er? Damit wird die Zusammenarbeit besser, denn man greift anders zum Telefon oder schreibt eher eine Mail, wenn man sich schon mal persönlich getroffen hat. Die Zusammenarbeit wird direkter und formloser und dadurch schneller und zielführender. Deswegen können virtuelle Meetings nicht die passende Antwort für alle Themen sein und persönliche Treffen nicht komplett ersetzen. Auch wenn man mal nur für ein persönliches Zwei- Stunden-Meeting irgendwohin fliegen würde und den ganzen Tag unterwegs wäre, kann es das wert sein.
LEA: Inwiefern beziehen Sie die Perspektive verschiedener Kulturen mit ein, wenn Sie in der Corporate HR weltweit gültige Standards für die Personalarbeit in der Firmengruppe Liebherr entwickeln?
EvZ: Wir berücksichtigen interkulturelle Unterschiede indem wir regionale Abweichungen von Standards zulassen und der Entscheidungshoheit der Geschäftsführung bzw. Personalleitung vor Ort überlassen. So ist z.B. „Feedback an die Führungskraft“ in vielen asiatischen oder arabischen Ländern nicht vorstellbar und kann dort deswegen im Mitarbeitergespräch auch unterbleiben.
Es gibt aber auch Themen, bei denen wir bewusst keine Ausnahmen zulassen, weil das der Kultur der gesamten Firmengruppe und unseren Grundwerten widersprechen würde, z. B. bei den Leadership Principles gilt „no hire and fire“ – auch wenn das in manchen Ländern durchaus üblich wäre. Aber da sagen wir: Nicht bei Liebherr!
Unsere zentralen Werte sollen in jeder Liebherr Gesellschaft, in jedem Land gelebt werden. Wenn eine Führungskraft das nicht umsetzen kann oder will, dann passt sie nicht zu uns. Da stößt der Freiraum für kulturelle Besonderheiten dann auch an seine Grenzen.
LEA: Wenn ein Besucher Liebherr in unterschiedlichen Ländern besucht, welche typischen Eigenschaften von Liebherr wird er in all diesen Niederlassungen erleben? Was ist typisch Liebherr?
EvZ: Was ich bisher durchgängig bei Liebherr erlebt habe, sind eine ganz spontane kollegiale Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Außerdem spürt man an allen Orten den typischen Liebherr-Pragmatismus: Alle ziehen an einem Strang. Packen an und sind nicht so die verkopften Theoretiker.
LEA: Was bedeutet es für die Positionierung von Liebherr als Arbeitgeber, dass Sie weltweit aktiv sind? Inwiefern können Sie global einheitlich als Arbeitgeber auftreten?
EvZ: Wir haben unsere Positionierung als Arbeitgeber identitätsbasiert entwickelt. So konnten wir die gemeinsame Basis in unserer Unternehmenskultur ausfindig machen, die weltweit für Liebherr charakteristisch sind. Diese haben wir ins Zentrum unserer Arbeitgeberpositionierung gestellt. Dennoch werden wir in der Arbeitgeberkommunikation in verschiedenen Ländern bestimmte Facetten dieser Positionierung in den Vordergrund stellen, die in der jeweiligen Kultur besonders anschlussfähig und ansprechend sind. Doch letztendlich gilt weltweit: Unsere Arbeitgeberpositionierung drückt aus, wie wir sind und wer bei Liebherr glücklich werden möchte, sollte sich darin wiederfinden.
LEA: Lieber Herr von Zons, ich bedanke mich für das tolle Gespräch.
(Das Interview führte Christina Grubendorfer am 16. Juni 2014)