Mit Kulturcheck gegen den Kulturschock!

Aus der Krise heraus wird in vielen Organisationen ein neues Normal entstehen – und zwar umso wahrscheinlicher je länger das Agieren im Krisenmodus anhält. Was vielleicht gerade als Ausnahmezustand bezeichnet wird, wird sich in Teilen zu etwas transformieren, das auch danach Bestand haben wird. Spielregeln werden sich verändern und es wird teilweise nicht möglich sein, zu alten Gewohnheiten und Regeln zurückzukehren. Anderes wird wie von selbst wieder ins Alte „zurückkippen“, auch wenn es gerne bewahrt worden wäre. So ist das eben mit sich selbst organisierenden sozialen Systemen wie Organisationen es eben sind. Wenn Rahmenbedingungen wie Kommunikationswege verändert werden, ändert sich auch die Kultur. Und auch wenn man sich Unternehmenskulturen nicht backen kann, so sollte man es nicht verpassen, sie zu beobachten. Und das sollten Unternehmen jetzt tun, sie sollten sich um ihre Unternehmenskultur kümmern.

Unternehmenskulturen sind erfolgsentscheidend, nicht nur im Kampf um Talente auf dem Arbeitsmarkt, sondern weit darüber hinaus. Der vermeintlich „weiche“ Faktor Kultur kann verdammt harte Probleme machen, zum Beispiel wenn die Kultur verhindert, dass gute Ideen Gehör finden und die Innovationskraft leidet. Oder wenn Führung irgendwie von gestern scheint, obwohl die modernsten Führungsprogramme laufen. Auch wenn sich alle gegenseitig auf den Füßen zu stehen scheinen und der Markt sich währenddessen anderen Zulieferern zuwendet, ist das sehr schmerzlich. Die Kultur kann zum Scheitern führen. Gerade jetzt in Krisenzeiten arbeitet die Kultur entweder mit oder gegen die notwendigen Maßnahmen zur Überlebenssicherung.

Ein deutliches Beispiel für die stark veränderte Zusammenarbeit in Unternehmen ist Homeoffice. Daraus entstehen ganz andere Führungsanforderungen. Das bedeutet ganz konkret: Viele Führungspersonen müssen in ihrem Handeln nun von Präsenzkultur und regelmäßigen „Schulterblicken“ auf Ergebnisfokus umschalten und darauf vertrauen, dass ihre Mitarbeiter ihre Arbeit schon erledigen werden. Das erfordert eine andere Kommunikation und andere Vereinbarungen, die zu treffen sind. Aber ist das überhaupt „erlaubt“? Wenn die kulturelle Regel lautet, dass Führungskräfte vor allem dazu da sind, den Arbeitsfortschritt ihrer Teams eng zu begleiten und zu kontrollieren, dann wird das schwer mit dem Arbeiten im Homeoffice. Gleichzeitig erleben jene Mitarbeiter*innen, die sich bisher evtl. stärker auf die regelnde Hand der Führungskraft verlassen haben, ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit und erfolgreicher Selbststeuerung. Sie erwarten, dass ihnen vertraut wird. Spüren sie dann aber deutliches Misstrauen (es gab ja schon Berichte über eingesetzte Detektive, die überprüfen sollten, ob die Leute auch wirklich zuhause arbeiten), dann kommt es zum Konflikt. Das bleibt alles nicht ohne Folgen für das Miteinander und die Kultur.

Diese sehr prägnante Veränderung ist nur eine von sehr vielen weiteren, die sich derzeit hinter dem Rücken der Akteure vollziehen. Vieles ist nicht so offensichtlich erkennbar und braucht bewusste Mit-Beobachtung und Reflexion. Das ist wie mit Kindern, da erkennen Eltern auch erst über den Fotovergleich, dass sie vor einem Jahr noch anders aussahen. Welche Auswirkungen wird es zum Beispiel haben, dass es momentan völlig okay ist, auf dem Flur abwartend stehen zu bleiben, wenn sich ein Kollege auch dem Aufzug nähert?

Fest steht, durch die veränderten formalen Strukturen, zum Beispiel mehr direkte Kommunikation von der Geschäftsleitung an die Mitarbeitenden über große Videokonferenzen, werden sich Unternehmenskulturen verändern. Andere Spielregeln entstehen – was voneinander zu erwarten ist, wie miteinander umzugehen ist usw.

In schwierigen Zeiten werden kulturelle Regeln besonders relevant, denn die bisher geltenden Formalismen werden im Krisenmodus teilweise oder ganz außer Kraft gesetzt. Es wird gut sichtbar, ob es zum Beispiel einen Zusammenhalt gibt oder eigentlich eher Wettbewerb im Vordergrund steht. Mitarbeiter sind gerade in Krisenzeiten extrem wachsam, da verunsichert – und beobachten sehr genau, wie mit ihnen umgegangen wird und was passiert. Sie eignen sich deshalb hervorragend als Gesprächspartner für die „Kulturbeleuchtung“.

Gerade jetzt braucht es in Unternehmen ein Setting, um zu reflektieren, was sich derzeit verändert und welche Folgen dies bereits jetzt hat und noch haben könnte. Was viele Organisationen bereits tun, sie besprechen, wie die eigene Organisation in der Krise agiert, was gut gelingt, was davon bewahrenswert ist und auch nicht. Das ist gut so. Reicht aber nicht aus.

Was noch fehlt, ist die Mitbeobachtung der sich bereits jetzt etablierenden Veränderungen in den Spielregeln, vor allem der Unternehmenskultur. Und die kann man ja am besten von außen angeregt beobachten.

Anzuraten ist jetzt ein Mini-Kulturcheck.

Wie könnte das aussehen?

  1. Ein Kulturcheck blickt auf die gegenwärtige Situation durch eine geringe Zahl an Interviews mit Akteuren aus der Organisation – Ziel der Interviews ist es, Veränderungen in den Spielregeln zu finden und Tendenzen zu erfragen.
  2. In der Analyse-Phase werden die Interviews ausgewertet, es werden daraus Hypothesen gebildet, neue und alte Spielregeln werden gegenübergestellt.
  3. Eine ausgewählte Gruppe aus Unternehmensvertretern validiert und reflektiert die Ergebnisse der Interviews: Was folgt daraus? Wollen wir das so weiterlaufen lassen? Oder möchten wir unterbrechen? Oder noch etwas anderes etablieren?
  4. Die Ergebnisse werden in laufende Transformations- und Veränderungsprozesse zurückgespielt und für die weitere Arbeit berücksichtigt.

Sprechen Sie mich an, wie der Kulturcheck für Ihr Unternehmen aussehen könnte und wie Sie gut in ein „neues Normal“ kommen können.

 

Zum Weiterhören: Zwei Folgen zur Unternehmenskultur im LEA-Podcast: Folge 1, Folge 2.

Zum Weiterlesen:

Christina Grubendorfer: Einführung in die systemischen Konzepte der Unternehmenskultur.