Kennen Sie diesen Witz?
– „Warum leuchten Berater:innen im Dunklen?“
„Sie reflektieren.“
Aber mal ganz ehrlich – was reflektieren wir da immer die ganze Zeit?
Was ist eigentlich Reflexion in der beraterischen Tätigkeit?
Wir meinen damit gerichtetes Nachdenken über den spezifischen Kontext, in dem wir unsere Beratung ausüben. Das bedeutet, unser Denken, Wahrnehmen und Handeln gedanklich (und auch intuitiv) zu analysieren und zu hinterfragen. Das alles mit dem Ziel, relevante, zielführende und vor allem anschlussfähige und damit wirksame Beratung für den jeweiligen Auftrag zu generieren.
Wir reflektieren über mehrere Stufen mit dem grundsätzlichen Ziel, daraus das Bestmögliche für den Kunden abzuleiten.
Stufe 1: Was wissen wir?
Ein gemeinsames Bild über den Stand.
Hier geht es uns häufig erstmal darum, den Sachstand abzubilden. Sind wir alle auf Ballhöhe? Welche Informationen stehen uns im Team bisher zur Verfügung? Welche Ergebnisse hatte ein Workshop oder ein Treffen? Was ist unser Wissensstand zu spezifischen Aspekten des Prozesses? Welche verschiedenen Perspektiven haben wir dazu eingenommen? Zu Beginn eines Projekts fragen wir uns bereits jede Menge, zum Beispiel, welches Ziel unser Kunde verfolgt, welche Probleme er lösen möchte, welche Lösungswege bereits eingeschlagen wurden oder jetzt als Vorschlag im Raum stehen, welche anderen Wege es gäbe das Ziel zu erreichen usw.
Stufe 2: Was haben wir erlebt?
Wahrnehmungen und weitere Beobachtungen austauschen.
In diesem Schritt fängt dann das an, was Kunden am Ende als Beratung erleben. Über den Sachstand hinaus, fangen wir mit der beraterischen „Kern-Arbeit“ an. Wir fragen uns: Was haben wir erlebt? Was ist uns aufgefallen?
Unsere Arbeit hat mit Personen zu tun. Deswegen ist notwendig, diese auch in ihren Bedürfnissen, Ansichten und Verhaltensweisen ernst zu nehmen, das nennen wir „lokale Realitäten“, denn jeder Akteur in einer Organisation hat seine ganz eigene Sicht auf die Dinge. Häufig können wir uns darüber dem nähern, was in der Beratung unbedingt mitgedacht werden muss: Beziehungen untereinander, Kommunikationsqualität, Vertrauens- und Misstrauensbeziehungen.
Aber nicht nur das ganz Subjektive interessiert uns, sondern auch unsere Wahrnehmung des gesamten Bildes: Wie erleben wir Atmosphäre? Wie wirken Räumlichkeiten? Wie ist die Stimmung? Nach welchen Spielregeln wird miteinander gespielt?
Um gut in den jeweils nächsten Schritt zu kommen brauchen wir eine Idee davon. Ohne diese Faktoren würden wir einen mechanischen, wirkungslosen Prozess abbilden.
Stufe 3: Wie erklären wir uns das?
Hypothesen bilden.
Hier ist unsere fachliche Qualifikation gefragt. Nachdem wir uns die beobachtbaren und beschreibbaren Fakten vergegenwärtigt haben, bilden wir auf Grundlage systemischer Modelle (soziologische und organisationspsychologische) Annahmen über die Erklärungen der Kunden: „Wie erklärt sich der Kunde sein Problem? Wie erklären sich die verschiedenen Akteure die Lage? “. Wir erklären uns die Dynamiken bestimmter Beobachtungen, Wahrnehmungen und Prozesse dann vielleicht nochmal anders. Und kommen so auf (neue und andere) Gestaltungsideen für den Kunden. Dieser Blick auf die „Hinterbühne“ des Geschehens versetzt uns in die Lage, die richtigen nächsten Schritte abzuleiten.
Stufe 4: Womit kommen wir dem Ziel in einem nächsten Schritt näher?
Nächste Schritte ableiten.
Wir integrieren nun unsere Erkenntnisse in die Ableitung des nächsten sinnvollen Schrittes für das Projekt.
Dieser ist durch die Reflexion begründet und gut vorbereitet. Wir haben in Gedanken schon mal probegehandelt. Gut ist es auch, spätestens hier den Kunden einzubeziehen und ihn in unsere Reflexion Einblick zu geben.
Das Reflektieren ist also eine unserer Haupt-Tätigkeiten.
Wenn wir im Projekt auch nur punktuell zu festen Terminen, Workshops, Jour Fixe,… vor Ort oder im Kontakt mit den Kunden sind, läuft die Arbeit am Projekt kontinuierlich zwischen diesen Terminen durch die Reflexion. Denn hier denken wir über den Kunden, das Projekt, den Auftrag nach. Wir werten aus, was wir sehen, hören und erleben. Und wir bilden Annahmen darüber, was ein guter nächster Schritt ist, was jetzt wichtig ist. Ergebnisse, die wir dann den Kunden als konkrete Maßnahmen zur Verfügung stellen und anbieten.
Und das alles macht wiederum gute Beratung aus.
Vielleicht leuchten Berater also auch deswegen im Dunkeln, weil sie durch ihre Reflexion den Weg des Veränderungsprojektes ausleuchten können.