LEA im Gespräch mit Kristina Horn, Head of Talent & Organizational Development bei zalando
Seit mehr als 5 Jahren begleitet LEA Zalandos Führungskräfte und Teams in ihrer individuellen oder organisationalen Entwicklung. Als Zalando 2013 das erste Performance-Management-Programm „LuP“ (Leistungs- und Potenzialprozess) einführte, beriet LEA in diesem Zusammenhang die Führungskräfte bei der Umsetzung nachhaltigerer Beurteilungsgespräche. 2017 unterstützte LEA wieder den ersten Durchlauf des nachfolgenden Performance-Development-Programms „ZONAR“ in mehr als 70 Coachings-on-the Job. Das neue Beurteilungssystem setzt den Fokus auf die langfristige Entwicklung der Mitarbeitenden. Im jährlichen multiplen Feedbackprozess wird für jeden Mitarbeiter*in der Entwicklungsverlauf beurteilt und kontinuierlich weiterentwickelt. Kristina Horn ist eine der EntwicklerInnen von Zonar. Leonie von Uthmann, Coach im Zonar-Prozess, spricht mit ihr.
LEA: Was war der Auslöser für die Entwicklung eines multiplen datenbasierten Beurteilungsprogramm?
Kristina Horn: Alles begann 2012/2013 mit der Erkenntnis, dass unser Performance Management-Prozess nicht mehr zeitgemäß ist. Bis dahin hatten wir 1:1 Beurteilungen durch die direkten Führungskräfte. Letztendlich gab das eine nur limitierte Sicht auf unser wirkliches Performancepotenzial im Unternehmen. Deswegen haben wir begonnen, uns zu überlegen, wie ein Prozess aussehen muss, der zwei Dinge erfüllt: 1. objektive und transparente Personalentscheidungen auf Basis eines digitalen Tools mit valider Datenqualität und 2. Wertschätzung und Motivation statt Kontrolle im Personalentwicklungsprozess. Diese beiden Anforderungen sollten „ZONAR“ als datenbasierter Performance-Prozess erfüllen.
LEA: Was passierte dann?
KH: Der erste wichtige Schritt war, den ZONAR-Prozess im Unternehmen zu etablieren. Das ging über mehrere Phasen. 2016 haben wir das erste Mal digital-basierte 360°-Feedbacks für Führende und Mitarbeitende aller Ebenen eingeholt. Seit 2018 werden die Ergebnisse aus den Feedbackverfahren in einem Tool aufbereitet. Es bietet unter anderem aufgrund vielfältiger Analyse und visuellen Features der aggregierten Feedbacks eine fundiertere Entscheidungsgrundlagen für die Leistungsbeurteilungen.
LEA: Von außen wirkt es so, dass durch ZONAR eine kontinuierliche Mitarbeiter- bzw. Führungskräfteentwicklung gestärkt werden soll; wobei der Vorgänger „LuP“ den Fokus auf Leistung und Geschwindigkeit legte. Kannst Du diesen Eindruck teilen?
KH: Ja! Allerdings bleibt Zalando ein Unternehmen, das eine hohe Geschwindigkeit fordert und somit auch auf schnelle Beförderungen ausgerichtet ist. Im Unterschied zu früher kriegt der Mitarbeiter aber anhand seiner individuellen (visuell dargestellten) Leistungsbeurteilung eine viel transparentere und realistischere Einschätzung darüber, wo er gerade steht. Der sogenannte „moment of truth“: Wie schätze ich mich ein und wie schätzen mich andere ein?! Diese „Wahrheit“ führt dazu, dass Erwartungen bezüglich einer möglichen Beförderung realistischer werden. Auf Basis dieser Varianz werden sogenannte „Developments Fields“ definiert, an denen die Person während des jährlichen Zonar-Zyklus arbeitet. Die individuelle Weiterentwicklung der Entwicklungsthemen ist dann wiederum Inhalt der nächsten Feedback- und Beurteilungsrunde. Das ist kontinuierliche Personalentwicklung auf Sicht!
LEA: Kassensturz: Highs and Lows seit Einführung des ZONAR-Prozesses?
KH: Ein Highlight ist auf alle Fälle der Perspektivwechsel im Hinblick auf die wahrgenommene Beurteilungsfairness der Performance-Entscheidungen bei den Mitarbeitenden.
Die Vielfalt und Transparenz des eingeführten Tools fördert die Akzeptanz von ZONAR als fairer Beurteilungsprozess. 100-prozentiges Vertrauen in die Performance-Entscheidungen haben wir durch ZONAR noch nicht erreicht und werden es wohl aufgrund der natürlichen Skepsis gegenüber solcher Beurteilungsverfahren nie vollkommen haben. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.
Ein weiterer Zugewinn ist, dass ZONAR Führungskräfteentwicklung ermöglicht, indem Führungskräfte durch den Prozess selber lernen können und Führungskompetenz stärken können, z.B. durch Gespräche führen, Beurteilungen schreiben, Entscheidungen treffen etc.
LEA: Woran merkst Du noch, dass ZONAR Auswirkungen auf Führung bei zalando hat?
KH: Im letzten Jahr wurde der Aufmerksamkeitsfokus verstärkt auf die Frage der Führungskompetenz innerhalb des Unternehmens gelenkt: Entscheidungen über die Beförderung von Führungskräften werden z.B. nicht mehr getroffen ohne das Feedback von Mitarbeitenden.
LEA: Was hat sich verändert seit der Einführung von ZONAR?
KH: Wir haben seither eine größere Leistungsorientierung. Durch transparente Kompetenzmodelle und klare Anforderungen an Leistung ist eine höhere Leistungsorientierung zu spüren. Insbesondere äußert sich dies in der verminderten Austrittsrate und in einer höheren Gesamtzufriedenheit bei den KollegInnen, die als „oustanding performer“ identifiziert wurden.
LEA: Wo hast Du Risiken bzw. Herausforderungen für das Gelingen von ZONAR wahrgenommen?
KH: Neben der Datensicherheit bzw. typischerweise der Frage nach Vertraulichkeit war es wichtig, klarzustellen: Menschen treffen weiterhin die Entscheidung; nicht die Daten! Wir nutzen datengetriebene Tools, um herauszustellen, wo sind Mitarbeiter besonders gut und wo können sie sich noch hin entwickeln. Das Tool ersetzt nicht die Performance-Entscheidung einer Führungskraft. Die Botschaft ist klar: Die Entscheider sind Menschen; keine Maschinen!
LEA: Was waren Learnings bzw. was würdet Ihr heute anders machen?
KH: Eine wichtige Lesson learned“ war die enorme Ressourcenbindung am Anfang, insbesondere von Führenden. Wir haben zu Beginn die Organisation mit ZONAR überladen. Ich denke, das hätten wir schlanker halten können. Die zusätzlichen Aufwände waren bestimmt für viele eine Herausforderung: „Ich will. Aber wie soll ich bei dieser Workload noch ZONAR reinpressen und wie das Commitment meines Teams dafür gewinnen? Ist das Mehr des neuen Prozesses wirklich so groß?“ Das waren Bedenken, die nachvollziehbarerweise bestanden. Gleichzeitig merken wir jetzt nach zwei, drei Durchläufen, es wird wieder leiser. Bestimmt hatte der Faktor „neu“ bzw. „ungewohnt“ auch einen Einfluss auf die Zeitintensität im ersten Jahr. Die Botschaft ist aber klar: „Be sensitive of people’s time investment and if so, manage it well!“Letztlich war das Resultat dieser Stimmen positiv, denke ich. Denn das große Learning für unser Performance- & Management-Team ist, nach jedem Durchgang konsequent Feedback einzuholen und das Verfahren anzupassen. Wir analysieren den Prozess, suchen nach Optimierungsbedarf und entwickeln eine hoffentlich noch bessere Version des ZONAR-Prozesses für das nächste Jahr.
Ein weiteres Learning war das Thema Change Management. Du kannst einen solchen Performanceprozess nicht ohne intensive Veränderungsbegleitung etablieren. Das hätten wir am Anfang noch stärker bei den Führungskräften und in der Organisation platzieren können, um den Veränderungen durch den neuen Prozess auch mehr Rechnung zu tragen. Zudem kann man bekanntermaßen nicht genug kommunizieren. Da hätte es bestimmt an der einen oder anderen Stelle noch mehr bedurft.
LEA: Eure Erfolgsstory ist also…
KH: Den Prozess iterativ zu entwickeln, um aus den entstandenen „Lessons learned“ jedes Mal wieder zu lernen und etwas besser zu machen. Unser Vorteil ist, dass wir bei Zalando grundsätzlich offen sind. Mitarbeiter kommen direkt zu uns und sagen, das und das müsst ihr besser machen. Gleichzeitig hören wir hin, greifen es auf und versuchen, die Learnings im Tool oder im Prozess schnell anzupassen. Das erzeugt Akzeptanz für unsere Arbeit und natürlich für den Gesamtprozess.
Vielen Dank, liebe Kristina, für dieses ausführliche Gespräch! Ich wünsche Dir eine gute ZONAR Hochphase!