Im Interview mit LEA teilt Change-Begleiterin Tanja Philippi ihre Erfahrungen rund um nachhaltige Change-Begleitung und erklärt, warum eine Veränderung sowohl Kopf als auch Herz benötigt.
LEA: Von der Arbeit bei gemeinnützigen Trägern zur Change Managerin öffentlicher Einrichtungen und internationaler Konzerne? Was zeichnet diesen Weg?
Tanja Philippi: Gemeinnützigkeit hat ja immer zum Ziel, Verhältnisse zu verbessern, im besten Fall die Gesellschaft zu verändern. Wenn das mal kein lupenreiner Change ist, der damit verfolgt wird!
Offenbar wollte ich also wohl schon immer einen Rahmen anbieten, um Veränderung gestaltbar zu machen. Sei er strukturell wie in der NGO-Arbeit oder als Beraterin für Unternehmen, die ihre Lebenswelt, ihren inneren Kosmos, verändern wollen. Insofern ist es vielleicht gar keine „von… – zu…“-Bewegung, sondern es sind Varianten von „So geht Veränderung“.
LEA: Was ist überhaupt ein Change-Prozess? Wann ist es keiner (mehr)?
TP: Change verstehe ich in erster Linie als Entwicklung durch Veränderung. Veränderungen passieren uns ja tagtäglich, oft sind sie zufällig und wir müssen damit umgehen. Auch wenn wir dabei mehr oder weniger reflektiert eine Veränderung durchlaufen, etwa, indem wir auf eine neue Alltagssituation mit neuem Verhalten reagieren müssen, ist das zwar ein Change, also eine Veränderung, aber unter professioneller Sicht nicht unbedingt ein Change-Prozess.
Für mich zeichnet sich ein Change-Prozess durch eine der folgenden Komponenten aus: die Veränderung ist absehbar oder bewusst geplant oder es gibt einen klaren Willen, mit einer (zufälligen) Veränderung zielgerichtet umgehen zu wollen. Dann kommen wir in den Bereich, wo eine Entwicklung durch bewusste Veränderung stattfindet.
LEA: Wieviel Ratio, wieviel Emotion gehört dazu, dass eine Veränderung wirklich fliegt? Was sind die größten Fallstricke auf dem Weg dahin?
TP: Fliegen kann die Veränderung nur durch den Willen aller am Change-Prozess Beteiligten dazu. Das Herz und der Bauch müssen JA! sagen. Das ist letztlich auch der wesentliche Teil meiner Arbeit – das was dem Verstand klar ist, muss noch lange nicht zur inneren – gefühlten – Überzeugung werden. Da stimmt der Satz „Der Kopf sagt Ja, aber der Bauch sagt Nein“ sehr oft. Häufig leitet sich Change-Bedarf ja von einer Sachebene ab, z.B. Veränderungen und Anpassungen von Prozessen und Strukturen. Das klingt dann vernünftig und logisch – aber unsere Bewertung ist nicht nur sachlich. Die Argumente und Einwände, die Bedenken, das Bauchgrummeln und den Widerstand hinter der Sachebene zu hören und ernst zu nehmen, das ist eine wesentliche Aufgabe von Change Management. Somit ist Change Management auch immer ein Thema, das sich, auch wenn die Absprungbasis strukturell oder prozessual ist, auf der Kulturebene abspielt.
Am schwierigsten ist es den Mut aufzubringen, das Fliegen lernen zu wollen. Die Angst vorm Absturz. Menschen fühlen sich tendenziell sicher in der Gewohnheit. Beobachte das mal an dir selbst: Wie oft nimmst du einen anderen Weg als den dir bekannten ins Büro? Vermutlich selten. Woran liegt das? Vermutlich an der Ungewissheit zum Teil schon kleinerer Faktoren: „Bin ich dann noch pünktlich? Komme ich da mit dem Fahrrad überhaupt durch?“. Und jetzt rechne diese Bedenken und Ungewissheiten mal auf organisationale Themen hoch… Andererseits, wenn du es nicht ausprobierst, weißt du auch nicht, was du verpasst: den besseren Kaffeeladen, mehr Sonne, den Aushang für die Traumwohnung am Baum. Hier ist der Hebel für Change: Sicherheit gewinnen, dass etwas Neues keine Gefahr bedeuten muss, sondern eine Chance ist.
LEA: Ich würde gerne auf einen Aspekt schauen: Du sprichst davon, dass ein wesentlicher Teil Deiner Arbeit darin liegt, Deine Kunden in der emotionalen Komponente von Change zu begleiten. Wie sieht das aus?
TP: Lass uns dafür ruhig noch einen Moment in dem schönen Bild vom Fliegen bleiben, welches du eingebracht hast. Wenn ich selber fliegen will, etwa indem ich Paragliding machen möchte, dann habe ich im Kopf vielleicht folgendes Szenario: „Das wäre ja großartig, diese Leichtigkeit und Schwerelosigkeit zu verspüren, einfach schweben. Die frische Luft, der tolle Blick. Der Nervenkitzel!“ Und auch diese Gedanken: „Aber das kann ich ja gar nicht! Ich stürze garantiert beim ersten Versuch ab!“ In diesen beiden verkürzten Gedankengängen haben wir alles, was die emotionale Bewertung ausmacht: ich habe ein positives Zielbild, eine Vision – Leichtigkeit und Schweben. Ich sehe gleichzeitig auch meine Sorgen und Befürchtungen, die Abers. Und mit denen zu arbeiten, ist wichtig: Was braucht es, damit ich trotz meiner Angst loslege, um mein Ziel zu verfolgen? Wie kann ich festen Boden unter den Füßen behalten, um mich trittsicher und ruhig Schritt für Schritt meinem Ziel zu nähern und mich nicht aktionistisch vom ersten großen Felsen zu stürzen?
Letztlich ist genau dies der Kern meiner Arbeit: die Schritte sorgfältig mitvorbereiten, Möglichkeiten des Reflektierens und Korrigierens geben und das Ziel im Auge zu behalten, vor allem dann, wenn der Veränderungssturm tobt.
LEA: Welche Veränderungsprojekte machen Dir am meisten Freude? Woran würden das andere erkennen, wenn sie Dich bei Deiner Arbeit beobachten könnten?
TP: Mein Ziel ist es, Veränderungen so zu begleiten, dass sie von Neugierde, Vitalität und sozialer Energie getragen sind. Das stellt letztlich eine gemeinsame Arbeitsfähigkeit her. Wenn die Veränderung durch die Menschen in der Organisation mitgetragen wird, kann sie fliegen und wir können dann gemeinsam wirksam sein. Freude habe ich, wenn wir frei denken und experimentieren, welches der beste Weg sein kann. Woran andere meine Freude erkennen? Sie verspüren hoffentlich auch Freude, weil Freude ansteckend ist.
LEA: Wieviel findet sich aus Deiner Sicht von den 5 LEA Kategorien – zukunftsfähige Organisationen entwickeln, attraktive Arbeitswelten kreieren, inspirierende Führung gestalten, identitätsstiftende Marken entwickeln, wegweisende Innovationen ermöglichen – in jedem Change Prozess?
TP: Veränderung und Entwicklung von Organisationen ist ein gesamthafter Prozess. Da greift alles ineinander. Wenn ich an einem Rädchen drehe, drehen sich die anderen mit. Man kann Veränderungen nicht isolieren. Insofern trifft das LEA-Credo Become A Better Organization den Change als Prozess als solches. Veränderung ist immer systemisch – ich fange bei einem Thema an und beeinflusse und verbessere damit auch andere Ebenen und Umwelten der Organisation mit
LEA: Was waren die größten Lernerfahrungen, die Du mit Kunden in einem Veränderungsprozess hattest? Was hat sich für Dich in Deinem Blick auf Change verändert?
TP: Veränderungen müssen von allen getragen werden. Vor allem im Unternehmen müssen ein klares Bekenntnis und eine positive Kultur zum Wandel herrschen. Dafür braucht es Beteiligung und Überzeugung. Change findet immer auch auf der Kulturebene statt. Man kann das nicht ausblenden – insofern kann Change auch nur gelingen, wenn er von allen verstanden wird und dafür heißt es; kommunizieren, diskutieren, gemeinsam denken – und das nonstop!