Visionäres Arbeiten – eine Bestandsaufnahme

Die unterschiedlichen Visionen wie Arbeit in der Zukunft aussehen kann, gehen weit auseinander. Doch in einem Punkt sind sich alle einig: Die Arbeitswelt und die Menschen in ihr verändern sich und werden es auch weiter tun. Doch welche Visionen sind gerade im Trend? Unter welchen Bedingungen verändert sich die Arbeitswelt? Wie kann man diese Entwicklung einschätzen? Welche Visionen habe ich als Werkstudent bei LEA von der Arbeit der Zukunft? Und wie realitätsnah sind meine Vorstellung und Visionen? Um diese und weitere Fragen, soll es in meiner dreiteiligen Blogartikelreihe gehen. Mein heutiger Artikel bildet den Grundstein, in dem ich eine kurze Bestandsaufnahme aktueller Trends, Entwicklungen und Einstellungen vorstellen werde. Der zweiten Artikel dreht sich um meine Visionen des zukünftigen Arbeitens, welche ich im dritten Artikel mit den realen Entwicklungen und Potenzialen abgleiche.

Längst ist klar: Linienorganisation, ein fester Arbeitsplatz, 40 Stunden Woche und eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit werden immer unrealistisch für unsere Zukunft. Doch wie wird Arbeit in der Zukunft aussehen? Was ist konkret im Trend?

Organisation von Arbeit:

Erste Umsetzungen, ohne näher darauf eingehen zu wollen, finden sich unter den „New Work“ Ansätzen, wie zum Beispiel: SCRUM©, Design Thinking©, Projektmanagement, Holokratie oder Soziokratie. Bei diesen geht es hauptsächlich um neue Strukturen von Organisationen und Teamarbeit (flache Hierarchien innerhalb der Organisation und in Teams, Arbeit an Projekten in Teams, Kundenzentrierung statt Managementzentrierung, kollegiale Führung in verteilten Rollen). Auf diesen Ansätzen aufbauend, hat der humanfy | Think Tank kürzlich eine „New Work Charta“ vorgestellt, die eine erste belastbare und fundierte Handlungsorientierung für die Umsetzungen der neuen Arbeit darstellt. Dabei werden fünf Prinzipien in den Vordergrund gestellt: Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung.[1]

Arbeitsbedingungen:

Hoch oben im Kurs sind Veränderungen im Bereich der Arbeitszeit. So wird in Management- Zeitschriften die digitale Stechuhr diskutiert, die aufgrund der Digitalisierung jegliche Form der Arbeitszeit (also auch das abendliche E-Mails schreiben) aufzeichnet, um somit für transparente und exakte Arbeitszeiterfassung zu sorgen[2]. Dahinter steckt zum einen mehr Flexibilität bei örtlicher Ungebundenheit, allerdings auch eine neue Form der Kontrolle und Überwachung des Arbeitgebers. Dieses Konzept steht im Widerspruch zu den New Work-Prinzipien der Freiheit und Selbstverantwortung. Dem gegenüber stehen Konzepte der Vertrauensarbeitszeit und der Reduzierung der vorgeschriebenen Arbeitszeit. So gibt es erste Experimente mit einer 25 Stunden Woche (unter anderem von Lasse Rheingans)[3] und selbstorganisierten Arbeitszeiten bei terminierter Auftragserfüllung. In der Praxis zeigt sich, dass aufgrund von Home-office, ständige Erreichbarkeit und flexible Arbeitszeiten die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit immer schwerer wird (8 Stunden am Stück arbeiten und danach Freizeit).
Eine Studie von Meissner et. al.[4] fasst es so zusammen: „Der Stellenwert der Arbeit unterliegt einer gefährlichen Trendkombination zwischen „zeitlich-räumlicher Flexibilisierung“ und „Arbeitskraftunternehmertum“. Das daraus resultierende Grenzmanagement zwischen Organisation und Individuum[5] besteht darin, dass das Individuum ohne räumliche und zeitliche Trennung von der Organisation, neue Wege des Ausgleiches oder Arbeitens finden muss, um sich von der Organisation abzugrenzen und nicht ausgebeutet zu werden. Hier bleibt meiner Ansicht nach, die Frage offen, ob nicht generell ein neuer Diskurs über Arbeit jenseits der Work-Life-Balance geführt werden muss.

Formen der Arbeit:

Neben den Arbeitszeiten verändert sich auch die Art der Arbeit. Durch Algorithmen, Technisierung und Digitalisierung fallen immer mehr handwerkliche, bürokratische und Routine-Tätigkeiten weg. Berufe wie Busfahrer, Lagerarbeiter, Reinigungskraft, Buchhaltung oder Fertigung werden jetzt schon immer weniger gebraucht und abgebaut. Menschen braucht es folglich nur noch in der Entwicklung und Wartung, aber nicht mehr in der Produktion und Ausführung von Arbeiten (Bsp. Busfahrer oder Buchhalter). Durch Algorithmen und die Digitalisierung wird der Bereich der IT-Steuerung und Entwicklung immer relevanter. Entsprechend beginnen sich, erste Ausbildungsinstitute zu spezialisieren, wie zum Beispiel Dalia Das[6] am Institut „neue Fische“ mit einer Ausbildung für Web-Developer, die dort unabhängig ihrer Erstausbildung einen Abschluss machen können. Die Studie „Digitale Arbeitswelten“ prognostiziert außerdem, dass gerade soziale Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation und Kooperation, eine verstärkte Übernahme von Prozessverantwortung und eine erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit bei zukünftiger Arbeit relevant werden[7], was den Eindruck bestätigt, dass die Art der Arbeit sich ändern wird.

Ein spezieller nicht zu unterschätzender Trend ist die vermehrte Selbständigkeit. So machen sich auch immer mehr Menschen neben ihrem Hauptberuf selbständig. Dass es sich dabei um einen Trend handelt, zeigt die Auszeichnung eines New Work Award von Xing für ein Start Up, dass sich darauf spezialisiert hat, Hauptberuflern die parallele Selbständigkeit zu erleichtern.[8] Eine andere Art des Selbständigen digitalen und visionären Arbeitens sind sogenannte Crowdworking Plattformen[9]. Dabei handelt es sich um internetbasierte Plattformen, die Mikro- und Makroaufgaben vergeben, welche von überall und zu jederzeit bearbeitet werden können. Dabei werden für Mikroaufgaben zumeist Cent- bis kleinere Eurobeiträge bezahlt und bei Makroaufgaben ein Wettbewerb ausgerufen, bei dem die beste Auftragsbearbeitung bezahlt werden. Kritisch am Crowdworking ist, dass er zu einer Anonymisierung der Arbeitnehmer und einer von Auftraggeberseite subjektiven Qualitätskontrolle führt. Das hat zur Folge, dass die Austauschbarkeit zunimmt und die Rechte von Arbeitnehmern abnehmen.

Mein Fazit aus dem geschriebenen ziehe ich in Form von 3 Thesen, die ich in den nächsten Artikeln weiter ausführen werde:

  1. Sinnvolle Arbeit wird sich immer mehr nach den Prinzipien der „New Work Charta“ ausrichten.
  2. Leben heißt tätig sein – für die Arbeit der Zukunft ist eine Trennung zwischen Arbeit und Freizeit nicht mehr notwendig.
  3. Arbeit wird sich in drei Bereichen abspielen: Im Sozialen, in der Entwicklung und in der Selbständigkeit

[1] https://www.xing.com/news/insiders/articles/sie-ist-da-die-new-work-charta-2295373?xing_share=news

[2] https://www.xing.com/news/insiders/articles/new-work-vs-stechuhr-alles-eine-frage-der-gestaltung-2303309?xng_share_origin=web&xing_share=news

[3] https://www.zeit.de/zeit-spezial/2018/01/25-stunden-woche-lasse-rheingans-agentur-bielefeld

[4] Meissner, Jens O, Johann Weichbrodt, Bettina Hübscher, Sheron Baumann, Ute Klotz, Ulrich Pekruhl, Leila Gisin, and Alexandra Gisler. Flexible Neue Arbeitswelt: Eine Bestandsaufnahme Auf Gesellschaftlicher Und Volkswirtschaftlicher Ebene. Vol. 64: vdf Hochschulverlag AG, 2016.

[5] von Ameln, Falko and Rudolf Wimmer. „Neue Arbeitswelt, Führung Und Organisationaler Wandel.“ journal article, Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie 47, no. 1 (June 01 2016): 11-21. https://dx.doi.org/10.1007/s11612-016-0303-0.

[6] https://newworkaward.xing.com/gewinner-2019/

[7] Apt, Wenke, Marc Bovenschulte, Ernst A Hartmann, and Steffen Wischmann. „Foresight-Studie“ Digitale Arbeitswelt“.“  (2016).

[8] https://newworkaward.xing.com/gewinner-2019/

[9] https://bibliothek.wzb.eu/artikel/2017/f-20463.pdf