Wird es Arbeit, wie wir sie heute kennen in 20 Jahren noch geben? Sind die aktuellen Trends wirklich die Zukunft der Arbeit? Wie wird sich Arbeit in unserer sich stetig wandelnden Gesellschaft weiter entwickeln?
Diese Fragen beschäftigen sowohl mich als Teil der zukünftige Arbeitnehmergeneration, der sich zwischen den immer vielfältiger werdenden Angeboten entscheiden muss, als auch aktuelle Arbeitgeber, die unter dem Druck stehen, sich attraktiv auf dem Arbeitsmarkt positionieren zu müssen, um neue Arbeitskräfte gewinnen zu können. Bei der Entscheidung als „was“ man arbeitet wird auch das „wie“ immer relevanter. Dies deutet sich unter anderem über die „New Work Charta“ an, in der „Prinzipien“ statt „Aufgaben“ der Arbeit formuliert werden. Nach meiner Meinung decken sich die Prinzipien (Freiheit, Selbstverantwortung, Sinn, Entwicklung und soziale Verantwortung) mit dem stetigen Trend der Individualisierung der Arbeit. Wohingegen die Generation X der Arbeitnehmer noch sehr sinngetrieben war (der Arbeitsplatz muss einen Sinn vermitteln), will die derzeit neueste Generationen Z immer mehr Mitgestaltung am Arbeitsplatz. Sie will sich engagieren und sich als eigener „Entrepreneur“ auf der Arbeit verwirklichen. Meiner Meinung nach hat das zur Folge, dass zum einen die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit noch weiter verschwimmen wird und zum anderen, dass Arbeitgeber immer mehr Gestaltungsfrei-räume für junge Mitarbeiter schaffen müssen. Damit Organisationen unter diesen Ansprüchen noch attraktiv bleiben, müssen sie nicht nur ihre Arbeit verändern, sondern auch ein neues Selbstverständnis entwickeln. Dabei bleibt der Wunsch nach Sinnvermittlung bestehen, bei steigender Bedeutung der Selbstverwirklichungsmöglichkeiten.
Resonantes Arbeiten führt zu Einbindung und Mitgestaltung
Doch was bedeutet das konkret für die Arbeit, wenn immer mehr Mitarbeiter „Entrepreneurs“ sein wollen? Wie können Organisationen die Selbstverwirklichung ihrer Mitarbeiter ermöglichen? Welchen Einfluss hat diese Entwicklung auf Führung?
Dem Konzept der „Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung“ von Hartmut Rosa folgend, werde ich meine Vorstellungen im Folgenden weiter denken und versuchen eine Antwort auf die dargelegten Fragen zu finden. Rosa bezeichnet Resonanz als eine Form der Antwortbeziehungen „in der sich Subjekt und Welt gegenseitig berühren und zugleich transformieren“. Dies kann sowohl eine Sozialbeziehung auf der Arbeit als auch eine Beziehung zwischen der Arbeit und dem Mitarbeiter sein. Wichtig für die Resonanzbeziehung ist, dass die Welt (der Chef, der andere Mitarbeiter oder die Arbeit) vom Mitarbeiter als mit eigener Stimme sprechend erlebt wird und er ihr selbstwirksam begegnen kann. Dabei entsteht aus der Beziehung etwas Neues. Es bildet sich sozusagen ein Resonanzraum in dem von allen Beteiligten etwas Neues gestaltet wird. Der Schluss liegt nahe, dass viele der agilen Arbeitsmethoden nach diesem Prinzip funktionieren. Die Methodik bildet einen Resonanzraum, indem die Mitarbeiter sich und ihrer Arbeit, in unterschiedlichen Rollen und Funktionen selbstwirksam begegnen können. Erst die Begegnung ermöglicht dabei Innovation und Fortschritt. Dass diese Art der Beziehung nicht zu erzwingen ist, führt auf das „Moment der Unverfügbarkeit“ zurück, das jeder Resonanzbeziehung voraus geht. Da beide Interaktionspartner als mit eigener Stimme sprechend erlebt werden, können sie sich jederzeit von der Beziehung entfremden (stumm werden). So lassen sich Resonanzbeziehungen nicht einseitig erzwingen. Auch Führung kann keine Resonanzbeziehung zu ihren Mitarbeitern erzwingen, so sehr sie sich auch anstrengen mag.
In meiner Zukunftsvision der Arbeit werden Mitarbeiter und Organisation in eine Resonanzbeziehung treten, aus der sich Sinn, Ziele, Strategien etc. der Arbeit entwickeln. Das bedeutet eine wesentlich stärkere Einbindung der Mitarbeiter in die organisationalen Prozesse und ein neues Verständnis von Führung. Mitarbeiter können sich in der Resonanzbeziehung zu ihrer Arbeit als Entrepreneure erleben und eigene Projekte und Beziehungen selbstwirksam gestalten. So wird sich auch Führung als in Beziehung tretend verstehen. Hierarchien müssen für diesen Prozess nicht aufgelöst werden, sondern nur auf eine andere Art gelebt werden. Agile Arbeitsmethoden für sich reichen dabei nicht aus, da sie klassische Führung in konsequenten Rollen, Prozessen und Prinzipien auflösen. Viel eher wird eine Veränderung durch die Prinzipien der „Führung mit neuer Autorität“ möglich sein, in der Führung sich auf die Beziehung mit den Mitarbeitern einlässt, ihre Gestaltungswünsche ernst nimmt und bereit ist, sich auf einen ungewissen Prozess einzulassen. Erst mit diesem Führungsverständnis können auch agile Arbeitsmethoden sinnvoll angewandt werden. Organisationen folgen also immer mehr dem Trend lebendigere Sozialsysteme zu werden und sich stetig weiter zu entwickeln und anzupassen. Das Konzept der Resonanz kann dabei als Landkarte dienen, Organisationen und die Arbeit der Zukunft besser zu verstehen und zu leben.
Ob sich aktuelle Trends der Arbeit langfristig durchsetzen, hängt meiner Meinung nach entscheidend davon ab, ob sie es schaffen Resonanzräume zu kreieren, in denen Mitarbeiter Resonanzbeziehungen aufnehmen können (und damit auch mitgestalten können). Was sich aus den Resonanzbeziehungen weiterhin alles entwickeln kann, bleibt offen und muss erst noch entdeckt werden. Ob diese Vision, unter Berücksichtigung der Digitalisierung, Globalisierung und Kommerzialisierung Chancen in der Zukunft hat werde ich in meinem dritten Artikel reflektieren.
Drei Tipps für resonantere Arbeit
1. Lassen Sie sich auf die Beziehung zu ihren Mitarbeitern ein und schauen Sie, was sie gemeinsam gestalten können
2. Hierarchien sind eine Möglichkeit, in Resonanz zu Ihrer Organisation zu gehen
3. Versuchen Sie weniger zu kontrollieren, dadurch unterbinden Sie effektiv Resonanzbeziehungen
Zum Weiterlesen und Vertiefen:
Baumann-Habersack, F. (2015). Mit neuer Autorität in Führung: Warum wir heute präsenter, beharrlicher und vernetzter führen müssen: Springer-Verlag.
Geisbauer, W. (2018). Führen mit Neuer Autorität – Stärke für sich und sein Team entwickeln (Vol. 1). Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH.
Rosa, H. (2016). Resonanz – Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp Verlag.
Hier geht es zu Teil 1 unserer Reihe zur Arbeit 4.0: Visionäres Arbeiten – eine Bestandsaufnahme