Angeklopft bei Matthias Csar zum Thema Gruppendynamiken

Wir bitten unsere Podcast-Gäste darum, uns im Nachgang noch drei Fragen zu zentralen Aspekten der Podcast-Episode zu beantworten. Zum Nachlesen für alle.

Was fasziniert Dich am Thema „Gruppendynamik“?

Das Besondere an der Gruppendynamik ist für mich, dass sie allgegenwärtig ist, dass sie immer geschieht, sobald Menschen miteinander agieren. Das heißt, es gibt auch immer etwas zu beobachten, zu erforschen und bewusster zu gestalten. Die Gruppendynamik verknüpft für mich drei zentrale Lernfelder, die für die Gestaltung von Zusammenarbeit im Team bis hin zur Gemeinschaftsbildung in unserer Gesellschaft Relevanz haben.

Die eine Ebene ist die der Person und des individuellen Lernens, also dem Wissen und der Erfahrung eigener Verhaltenspräferenzen in Gruppen. Die zweite Ebene ist die der Beziehung, wie ich in Interaktion gehe, wie ich kommuniziere und Kontakt zu anderen Personen aufbaue. Und die dritte Ebene ist die des Systems „Gruppe“, die Verhältnisse und Strukturen, die sich innerhalb einer Gruppe, einer sozialen Gemeinschaft etablieren und stabilisieren. All das kann man im Kontext gruppendynamischen Lernens beobachten und unterscheiden (metareflexive Kompetenz) und eine Sprache dafür entwickeln, um gestaltend wirksam zu werden.

Warum und wofür sollten sich Führungskräfte und Berater*innen damit auskennen?

Sowohl Führungskräfte als auch Berater*innen müssen soziale Wirksamkeit besitzen, sonst gibt es keine Gefolgs- bzw. Gestaltungskraft in Teams und Organisationen. Hier braucht es auf der einen Seite eine gute Selbstwahrnehmung zum eigenen Selbstkonzept und Auftreten vor Gruppen und in Teams. Auf der anderen Seite braucht es Beobachtungskompetenz, was gerade zwischen Personen und innerhalb eines Teams in der Zusammenarbeit passiert, welche Themen auf Beziehungsebene verhandelt werden bzw. welche unausgesprochenen Regeln im Team Gewicht haben.

Aus dieser Wahrnehmungs- und Beobachtungsfähigkeit leiten sich folglich Interventions- und Steuerungsideen ab, um bewusst das soziale Miteinander zu gestalten. Wenn mir das als Führungskraft oder Berater*in gelingt, neben den inhaltlichen Fragen auch den sozial- zwischenmenschlichen Themen Beachtung zu schenken, wirkt sich das positiv auf die Performance bzw. Entwicklung eines Teams, einer Organisation aus. Diese Sensibilität lässt sich in der Gruppendynamik bzw. in gruppendynamischen Lernsettings erlernen.

Was ist Dein Lieblingsmodell zur Beschreibung von Gruppendynamiken?

Ein Modell, dass ich gerne nutze, um gruppendynamische Phänomene beschreibbar zu machen, ist das Konzept des gruppendynamischen Raums. Ausgangslage sind dabei drei soziale Bedürfnisse, die uns als Menschen wichtig sind, sobald wir mit anderen in Interaktion und in Folge in Entwicklung einer Gruppe gehen: Wir wollen dazu gehören (Inclusion bzw. Zugehörigkeit), wir wollen gestalten (Control bzw. Einfluss) und wir wollen mehr oder weniger Kontakt zu anderen empfinden (Affection bzw. Intimität). Aus diesen zu nächst individuellen Bedürfnissen werden bald Gruppenthemen, sobald jeder versucht nach seinem Denken und nach seiner Haltung nach seine Bedürfnisse zu verfolgen. So muss sich eine Gruppe und folglich auch ein Team Gedanken darüber machen, wie Zugehörigkeit sichergestellt wird, welche Regeln und Normen gelten bzw. die Grenze nach Außen hin gewahrt wird.

Dann stellt sich die Frage, welcher Einfluss zählt, wem mehr oder weniger zugehört wird, welche (informelle) Hierarchien sich im Miteinander etablieren. Und es wird verhandelt, wem man ev. näher bzw. ferner ist, wo es mehr Anziehung und Vertrauen gibt und wo weniger. Diese drei Dimensionen des gruppendynamischen Raums sind nicht linear und phasenhaft zu verstehen, sondern geschehen gleichzeitig und miteinander verwoben. Erst durch die gemeinsame Reflexion können Gruppen auf ihre internen Dynamiken aufmerksam werden. Führung und Beratung sollte dabei emotionalen Kontakt als auch reflexive Distanz anbieten lernen, um zu solche Themen in einem passenden Rahmen (Retros zum Beispiel) ins Gespräch zu kommen.

Wer sollte unbedingt den LEA Podcast hören?

Alle, die neugierig sind, Organisation zu gestalten, Teams zu entwickeln und einen Beitrag in unserer immer komplexer werdender Welt zu leisten.

Die Podcast-Folge mit Matthias findest Du hier: Psychologische Sicherheit