Was macht gutes Coaching aus? Bestseller-Autorin Martina Schmidt-Tanger, die wir in der Episode 53 des LEA Podcast: „Was kann Coaching in Organisationen bewirken?“ begrüßt haben, würde hier antworten: Gut ist immer das, was als gut definiert wird. Eine grundlegende Gemeinsamkeit gibt es dabei, denn bei gutem Coaching geht es immer um Freiheitsgrade – beim Coach selbst, für den Coachee und für die Organisation. Und genau anhand dieser genutzten und wahrgenommenen Freiheitsgrade können Organisationen wirklich sinnvolles Coaching erkennen.
Freiheitsgrade sind wie die Richtungen, in die sich ein Gelenk bewegen kann. Geht es nur auf und ab, sind unsere Möglichkeiten stark eingegrenzt. Können wir uns rundherum, in alle Himmelsrichtungen und in verschiedenen Zwischenebene bewegen, sieht es mit den Möglichkeiten anders aus. Gutes Coaching heißt grundsätzlich eine Erhöhung der Freiheitsgrade, also dem Bewusstwerden verschiedenster Richtungen, Perspektiven und Optionen, mit welchen eine Herausforderung gelöst werden kann.
Genau diese Vielfalt wird allerdings häufig schon bei der Auftragsklärung herausgenommen. Neben Maßnahmen wie Strukturveränderungen, Trainings, Workshops und Weiterbildungen sind Einzelcoachings nur ein Werkzeug von vielen. Die Diagnose, welches Tool am ehesten zum Ziel führt, wird jedoch nur selten direkt den Experten überlassen. Es ist eher wie bei einem Patienten, der dem Arzt erst mal sagt, warum er Bauchschmerzen hat und welches Mittelchen am besten helfen würde. Und obwohl die Nebenwirkungen von unnötig eingenommenem Coaching wohl selten schädlich sind, besteht ein guter Coach auf seine Freiheitsgrade.
Martina Schmidt-Tanger spricht dabei auch an, sich bewusst blöd zu stellen. Professionelle Coaches nehmen Beschreibungen und Forderungen nicht einfach hin. Stattdessen wird viel nachgefragt. Das Nichtwissen wird zum besten Partner, um zu erkennen, woran der Abstand zum gewünschten Zielzustand liegt: Ist es das Ziel das richtige? Stimmt die Wahrnehmung? Und eben auch: Nutzen wir das richtige Tool zum Erreichen des Ziels?
Neben den Freiheitsgraden beim Coach sind die Freiheitsgrade des Coachees ein entscheidender Faktor für gutes Coaching. Es sollte nie darum gehen, disziplinarisch Unternehmensziele oder den einen richtigen Weg vorzugeben. Das beste Coaching macht Perspektiven greifbar – und das sind auch nicht immer nur schöne. Ab und an kommt beim Coaching heraus: Der Mitarbeitende möchte nicht mehr im Unternehmen bleiben. Selbst das ist dann ein Gewinn. Die Erhöhung der Freiheitsgrade heißt auch die Freiheit zu gehen und damit Platz für einen Mitarbeitenden zu machen, der oder die sich wohler in der Rolle fühlt.
Gutes Coaching schafft schon über die Coachees mehr Freiheitsgrade in der Organisation: gecoachte Mitarbeitende denken weniger eindimensional und entwickeln so eine Vielfalt an Lösungsoptionen. Damit ist das Potenzial von Coaching für Organisationen allerdings noch nicht ausgeschöpft. Nicht jede Möglichkeit auf Verbesserung bewegt sich auf der Personen-Ebene der Coachees. Deshalb sollte immer sichergestellt werden, dass Coaches Raum bekommen, auch strukturelles Feedback zu geben.
Dabei ist es wichtig festzustellen: Coaching ist immer in eine Coaching-Kultur eingebettet. Das heißt, dass die Strukturen in einem Unternehmen maßgeblich festsetzen, wie Coaching wahrgenommen und genutzt wird. Ist das Coaching Teil einer Talentschmiede? Ein Goodie, wenn am Ende des Quartals noch Geld da ist? Oder ein Reparaturbetrieb für Mitarbeitende, mit denen die Organisation unzufrieden ist? Und dabei zählt nicht, was beispielsweise vom HR kommuniziert wird, sondern die Wahrnehmung der Coachees über den Zweck.
Welche Rolle Führungskräfte bei der Beeinflussung dieser Wahrnehmung einnehmen können, inwiefern sie selbst coachend tätig werden können (oder müssen) und vieles mehr, besprechen LEA Gründerin Christina Grubendorfer und Martina Schmidt-Tanger im LEA Podcast. Wir wünschen viel Spaß beim Hören und beim Entdecken der eigenen Freiheitsgrade zur Beeinflussung guten Coachings.