Was an der Spitze gelebt wird, wirkt sich auf die ganze Organisation aus. Doch das funktioniert auch andersherum: Besonders Unternehmer*innen, aber auch viele Führungskräfte geben sich ihrem Unternehmen gerne mal mit Haut und Haar: Es kommt eben doch in den meisten Fällen nicht von ungefähr, dass jemand an der Spitze einer Organisation landet. Viel harte Arbeit und ständige Präsenz sind eher an der Tagesordnung. Sich mit den eigenen Unternehmungen zu identifizieren, ist dabei eigentlich die metaphorische Krönung.
Aber wie viel ist zu viel des Guten? Und was macht man, wenn es sich so anfühlt, als würde es neben den Arbeitsrollen nicht mehr sonderlich viel Privates-Ich geben? Darauf fanden Gudrun Henne und Christina Grubendorfer im LEA-Podcast „Führung an der Spitze von Unternehmen“ Antworten. Und eins darf man schon mal vorab verraten: Sich als eins mit dem eigenen Unternehmen zu fühlen, kann manchmal mehr Problem als Teil der Lösung sein.
Um diesem Problem auf die Schliche zu kommen, beschreibt Gudrun Henne drei verschiedene Arten von Führung: das eigene Unternehmen führen, andere Mitarbeitende und Kolleg*innen führen sowie sich selbst führen. Warum dieser Dreiklang in guter Balance sein muss, beschreibt sie am Beispiel eines Coachees, bei dem unerwartet irgendwann gar nichts mehr flutschte. Der Grund – ein Glaubenssatz, den gerade Unternehmer*innen häufig in sich tragen: Ich bin mein Unternehmen. Und plötzlich sieht man – so Gudrun Henne – dann eben vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr, obwohl man doch eigentlich ständig am To-Do-Zettel abarbeiten ist.
Eine Lösung, wenn es so weit kommt: Sich bei Aufgaben und ganzen Herausforderungen deutlich machen, welche eigene Rolle es genau in diesem Moment braucht, um sie optimal zu lösen. Das kann zum Beispiel durch einen Perspektivwechsel gelingen: Braucht das Führungsteam gerade eher ein*e Kolleg*in oder den/die Geschäftsführer*in zum Austausch? Erfüllt man die Erwartungen der Mitarbeitenden eines Projekts aktuell eher durch unternehmerisches Leitplanken-Geben oder coachendes Fragenstellen? Und wie viel Zeit will man selbst überhaupt in den dahinterliegenden Rollen verbringen?
Am besten, geht es auf der Gratwanderung an der (Führungs-)Spitze sogar noch einen Schritt höher: Gudrun Henne empfiehlt auch mal bewusst in die Distanz zu allen Arbeitsrollen zu gehen und sich die Frage zu stellen, was man als Mensch möchte. Und das muss gar nichts Großes sein: vielleicht ja einfach mal wieder in die Sauna, zum Lieblingsverein oder bei einem Kaffee Energie aufladen, statt von Termin zu Termin zu hetzen.
Und auch die Forschung in der Arbeits- und Organisationspsychologie zieht in eine ganz ähnliche Richtung: Gerade wer in der Arbeit besonders engagiert ist, lässt empirisch nach Feierabend gerne mal nicht von den Arbeitsrollen los, schreibt Mails, organisiert den Kalender, und und und. Unzufriedenheit mit den Auswirkungen auf das Leben abseits der Arbeit scheinen dann vorprogrammiert. Dabei muss das Leben im Top-Management nicht „einsame Spitze“ sein. Viele Positivbeispiele und weitere Impulse, wie mehr Distanz gelingen kann, gibt’s in diesem Sinne im Podcast zu hören. Wir wünschen viel Spaß dabei!