Was macht die HR-Funktion zukunftsfähig? Was bedeuten eigentlich Herausforderungen wie Demographischer Wandel, Fachkräftemangel, Digitalisierung oder die grundlegenden Veränderungen von Arbeitswelten hin zu mehr Agilität, Selbstorganisation oder New Work für die HR-Funktion selbst? Für ihre Arbeitsweisen, ihr Organisationsdesign und Selbstverständnis?
Diesen Fragen sind wir kürzlich im Rahmen eines Beratungsprojektes intensiv nachgegangen. Unser Blick in die akademische und angewandte Fachliteratur, in Berater-Studien, in Beiträge von Praktikern aber auch Interviews mit HR Managern, die sich aktuell mit dem Aufsatz und Design ihrer eigenen Organisation beschäftigen, hat uns eine Vielfalt von Themen gezeigt, welche die Zukunftsfähigkeit der HR-Funktion bestimmen.
Um die Ergebnisse unserer Recherche mit Ihnen zu teilen, haben wir im Folgenden vier Prinzipien skizziert, die uns auf unserer kleinen Forschungsreise als besonders erfolgsversprechend erschienen sind.
Erstes Prinzip: HR braucht Ausrichtung an Strategie und Ausrichtung auf den eigenen Wertbeitrag
Eines der vielfach empfohlenen Prinzipien zur Gestaltung der Zukunftsfähigkeit von HR ist die klare Ausrichtung von HR an der Unternehmensstrategie sowie deren Befruchtung. Ist das wirklich neu, und was hat sich geändert? Eines ist klar, als Folge der Änderung gesellschaftlicher Rahmenbedingungen wie dem demographischen Wandel und dem damit verbundenen Fachkräftemangel, oder auch dem weithin benannten Wertewandel (Generation X, Y, Z) sowie der damit einhergehenden stärkeren Individualisierung, ist aus strategischer Sicht eine steigende Bedeutung der Ressource Mensch als solcher zu konstatieren.
So scheint heute die seit den 90er Jahren beschworene Rolle von HR als strategischem Businesspartner, nicht mehr nur ein vor allem von Akademikern und Beratern propagiertes Management-Konzept zu sein. Wenn sich heute nicht mehr nur Bewerber um Stellen bewerben, sondern Organisationen im privaten und öffentlichen Sektor mehr und mehr selbst um Bewerber werben müssen, ist die Gewinnung von passenden Mitarbeiter*innen eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Unternehmenserfolg geworden.
Um die Ressource Personal optimal auf die Bedürfnisse des Geschäfts hin ausrichten zu können, ist es umso wichtiger Personal- und Unternehmensstrategie gut aufeinander abzustimmen. Und Abstimmen meint hier tatsächlich keine Einbahnstraße im Sinne einer alleinigen Ausrichtung der HR- Strategie an der Unternehmensstrategie. Zwar geht es hier einerseits darum, die Unternehmensstrategie schon als ein Fenster zu verstehen, um aus HR-Sicht z.B. Erwartungen von Stakeholdern oder relevante gesellschaftliche Entwicklungen antizipierend zu beobachten und dementsprechend die eigenen Aktivitäten zu fokussieren. Andererseits wird aber aufgrund der eingangs benannten Herausforderungen die HR-Funktion zukünftig mehr und mehr als proaktiver Partner des strategischen Planspiels auf Top-Management-Ebene gesehen. Wer, wenn nicht HR kann qua Aufgabe, fachlicher Expertise und zumindest grundlegendem Verständnis des jeweiligen Geschäfts passgenaue Erkenntnisse und Empfehlungen zu Themen wie Talent- und Fähigkeitsmanagement, Führung aber auch Change Management und Organisationsentwicklung bereitstellen? Hier geht es also um den Wertbeitrag, den eine HR-Funktion leisten kann, die sich sowohl als Supportfunktion eines unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses versteht als auch die Wettbewerbsrelevanz der funktionseigenen Aufgabe fest im Blick hat. Finally a seat at the chef’s table? Mal sehen. In Zeiten, in denen die Unternehmensressource Personal zu einer immer knapperen und damit in stärkerem Maße wettbewerbsrelevanten Ressource wird, ist dies aber sicherlich ein Thema für Zukunftsfähigkeit und Wertbeitrag von HR.
„If we define HR as doing HR we will adopt an internally focused view, but if we define HR’s role as building the capability of an organization to deliver its strategy and create value, this will drive a more outward focused model that will depend on these commercial and strategic challenges“. (Scott-Jackson et al., 2017, p.21).
Zweites Prinzip: HR braucht Digitalisierung und Digitalisierung braucht HR
Das große Wandelthema unserer Zeit ist die Digitalisierung. Was bedeutet sie für die Zukunftsfähigkeit der HR-Funktion? Ganz einfach: Zwei Seiten einer Medaille. Einerseits muss die HR-Funktion, die mit dem Einsatz digitaler Technologien einhergehenden Transformationen zur Effizienzsteigerung selbst genauso umsetzen wie alle anderen Unternehmensbereiche. Von der Automatisierung von Verwaltungsdiensten wie Gehaltsabrechnungen, bis hin zu gänzlich neuen Lösungen wie der Rekrutierung mittels künstlicher Intelligenz. Andererseits spielen die Aufgabenfelder der HR-Funktion eine Schlüsselrolle bei der erfolgreichen Implementierung von Digitalisierungsvorhaben. In einer digitalen Industrie und Arbeitswelt, in der Menschen, Maschinen, Logistik und Produkte direkt und in Echtzeit miteinander kommunizieren, ändern sich Wertschöpfungsprozesse in wesentlichem Maße und damit auch Aufgaben und die dafür benötigten Kompetenzen von Mitarbeiter*innen. Für die Personalentwicklung beispielsweise geht die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (Speidel, 2018) zugespitzt gesagt davon aus, dass es zukünftig nur ein Szenario zur Sicherung der Daseinsberechtigung von unternehmenseigenen Personalentwicklungsabteilungen geben wird: Auf dem Fahrersitz der Digitalisierung zu sitzen! Unter der Annahme, dass Lernmethoden in der Allgemeinbildung, Berufsbildung und Weiterbildung zukünftig immer stärker digitalisiert und individualisiert werden, muss auch die Personal-entwicklung ihre Angebote an selbstorganisierte und individualisierte Formen des Wissenserwerbs anpassen. Dies bedeutet für die Zukunftsfähigkeit, sowohl den digitalen Wandel proaktiv voranzutreiben, z.B. durch digitale Schulungsprogramme oder Nutzung von SMART-Recruiting-Technologien, als auch Vorreiter bei der Nutzung digitaler Technologien in der Arbeitsorganisation zu sein. Nur so wird die HR-Funktion auch in Zukunft einen wettbewerbsrelevanten Wertbeitrag leisten können.
Drittes Prinzip: Agilität braucht HR und HR braucht Agilität
Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen besteht heute darin, anpassungsfähiger, schneller und flexibler im globalen Wettbewerb zu sein. Eine Folge unserer VUCA-Welt ist, dass Hierarchie als vorherrschendes Struktur- und Entscheidungsmodell zur Steuerung von Organisationen an ihre Grenzen stößt. Unternehmen, die in ihrem Geschäft etabliert waren, müssen ihre Geschäftsmodelle neu erfinden oder diese immer häufiger und radikaler anpassen. Die Anforderung dabei: Neue Lösungen schneller zu finden. Dazu braucht es unmittelbares Feedback und die Beteiligung relevanter Wissensträger. Seit einiger Zeit sind damit neue Arten der Zusammenarbeit und des Managements in den Fokus gerückt (Scrum, Design Thinking usw.) Bei all diesen Ansätzen stehen Formen der Selbstorganisation und funktionsübergreifenden Zusammenarbeit im Vordergrund. Dies hat nicht mehr viel mit den Arbeitsweisen einer hierarchisch steuernden Linien-Organisationen gemein. Um die hierfür notwendigen Fähigkeiten zur Arbeit in projektbasierten Organisationsstrukturen zu entwickeln, ist es nicht nur erforderlich, Mitarbeiter*innen in Disziplinen wie Eigenverantwortung und Selbstorganisation zu stärken, sondern auch Führungskräfte fit zu machen für das zeitgleiche Managen von Effizienz und Anpassungsfähigkeit (Stichwort Ambidextrie). Der deutliche Anspruch an die HR-Funktion ist es hier, als Vorreiter die neuen Arbeitsweisen innerhalb der eigenen Organisation umzusetzen und daraus zu lernen. Eine HR, die sich als Treiber und Tester agiler Organisationsprototypen und Arbeitsweisen versteht, sichert sich eine neue gestalterische Aufgabe im Unternehmen.
Viertes Prinzip: Gestalte Deine HR Organisation entsprechend Deiner Unternehmensorganisation sowie maßgeschneidert für Deine Kunden
Das vierte Prinzip betrifft das Organisationsdesign selbst und adressiert damit auch die Ausgangsfrage unserer hier dargelegten Forschungsreise: Wie kann sich die Organisation der HR-Funktion sich zukunftsfähig gestalten? Die im ersten Teil dieses Prinzips bereits genannte Antwort gefällt uns zugegebenermaßen sehr, da sie unmittelbar den Bedarf zur Selbstbeobachtung aufzeigt. Im Sinne unseres LEA Agile Change Framework ist die Beobachtung und Reflexion eines der zentralen Mittel für erfolgreiche organisationale Lern- und Veränderungsprozesse. In seiner aktuellsten Veröffentlichung adressiert auch Dave Ulrich, als einer der wohl prominentesten Denker der HR Community, das Thema HR-Organisation bereits im Titel seines aktuellsten Buches: „Victory through Organization“ (Ulrich et al, 2017). Das lässt doch hoffen, oder?
Dennoch stößt dieser auf den ersten Blick einfache und einleuchtende Ratschlag, das Design der HR-Funktion an der Gesamtorganisation auszurichten schnell an seine Grenzen. Die vielfältigen und inhaltlich sehr unterschiedlichen Aufgaben und Sub-Funktionen, für welche die Personalfunktion zumeist zuständig ist, lassen sich nicht so einfach vereinfachen und noch weniger generalisiert an anderen Unternehmensfunktionen ausrichten. Individuell entwickelte Organisationskonzepte für die HR-Funktion scheinen die Lösung. Ein Versuch war z.B. das weit verbreitete Drei-Säulen-Modell (1.Shared Service Center, 2. Centers of Expertise und 3. Business Partner), das sich allerdings nur bedingt durchsetzen konnte bzw. erfolgreich war. Vor allem in Zeiten, in denen die Aufgaben und Rollen der Personalabteilung erweitert werden und eine immer engere komplementäre Zusammenarbeit mit anderen Unternehmensfunktionen erforderlich ist, erscheint uns ein solches „one size fits all“ Modell als nicht adäquat. Denken wir nur an Marketing, wenn es um Employer Branding geht, und an IT, wenn es um Digitalisierung geht. Wir haben gelernt, dass es hilfreich ist, die Gesamtorganisation erst einmal als Ausrichtungsgrundlage zu verwenden. Es bedarf dann noch einer differenzierten Anpassung des Organisationsdesigns der HR-Funktion anhand der gewünschten Rollen und Aufgaben im Unternehmen. Damit sind wir beim zweiten Teil des vierten Prinzips, dem „Maßgeschneidert“. Denn sprechen wir von Operating Modell anstatt von Organisation, so zwingt dies dazu, das Organisationsdesign der HR-Funktion stärker im Sinne der Gestaltung eines HR eigenen Geschäftsmodells zu verstehen. Das wiederum fokussiert ganz von selbst und unmittelbar auf den Wertbeitrag für die unterschiedlichen Kunden von HR, wie Geschäftsführung, Management und Mitarbeiterschaft (aktuelle und potentielle). Für ein zukunftsfähiges Organisationsdesign meint dies also nicht nur klare Rollen zu definieren, die Personen mit Aufgaben verbinden, sondern vor allem horizontale Verbindungen und Kommunikationsstrukturen integrativ zu gestalten. Nur so können HR Spezialisten und Generalisten oder auch verschiedene Sub-Funktionen effektiv zusammenarbeiten, um die Bedürfnisse ihrer Kunden bestmöglich zu bedienen.
In Summe hat uns dieser Einblick in aktuelle Fragen und Lösungen zur zukunftsfähigen Gestaltung der HR-Funktion gezeigt wie facettenreich die Themen und Aufgaben dieser Funktion sind, und den Eindruck hinterlassen, dass es bereits heute und in Zukunft sicherlich verstärkt darum geht vom Verwalter der Ressource Personal zu einem aktiven Gestalter vielfältiger Personal- und Organisationsbelange zu werden.
Wir wünschen allen Beteiligten und Betroffenen gutes Gelingen!
Zitierte Literatur:
Scott-Jackson, W. and Mayo, A. (2017). HR with Purpose: Future Models of HR. Research Report. Henley-on-Thames: Henley Business School.
Speidel, V. (2019). Praxispapier: Zukünftige Ausrichtung der Personalentwicklung. DGFP-PraxisPapiere 01/2019. Frankfurt: Deutsche Gesellschaft für Personalentwicklung e.V..
Ulrich, D., Kryscynski, D., Brockbank, W. and Ulrich, M. (2017). Victory Through Organization. Why the War for Talent is Failing Your Organization and What You can Do About it. New York: Mc Graw Hill Publishing Company.