Darum braucht euer Team jetzt psychologische Sicherheit!

Nach einem halben Jahr im kollektiven Corona-Ausnahmezustand beobachte ich aktuell bei vielen Führungspersonen Ausgelaugtheit und das Gefühl nicht mehr gut in Verbindung zu sein mit den Mitarbeiter:innen. Die viele Remote- und Hybrid-Arbeit zehrt an den Nerven und führt zu gefühlter Isolation.
Die Energie, die durch informelle, soziale Kontakte entsteht, ist sehr wichtig, um sich gesund und wohl zu fühlen. Gerade die informellen Kontakte haben sich mit Corona reduziert, bei gleichzeitiger Erhöhung von Unsicherheit und unklaren Perspektiven.

Aus meinen vielen Gesprächen mit Führungspersonen höre ich: Während am Anfang noch viele informelle Online-Lunches und gemeinsame Kaffeepausen gemacht wurden, lässt dies scheinbar nach und es werden weniger „best und worst practices“ geteilt. Das Schweigen nimmt zu. Mitarbeitende sind zwar teilweise effizienter in ihrer Arbeit im Homeoffice, allerdings nimmt auch das Gefühl der Vereinsamung zu. Dadurch, dass die informelle Kommunikation in Kaffeeküchen, Kantinen oder auf den Fluren reduziert ist, gehen auch wichtige Kommunikationskanäle verloren.

Der soziale Kit in den Teams bröckelt und Entscheidungprozesse werden mitunter ohne wertvolle Informationen wie Stimmungslage, Einfluss auf andere Teams und andere Abteilungen getroffen.

Eine Möglichkeit das Thema aufzugreifen ist, gemeinsam über die psychologische Sicherheit im Team zu reflektieren.
Das von Amy Edmondson (Wissenschaftlerin an der Harvard Business School) eingeführte Konzept der „psychologischen Sicherheit“ im Team ist wichtig für hohe Leistungen, Vertrauen und psychische Gesundheit im Team. Nicht die Zusammensetzung der Teams ist dabei entscheidend, sondern die Art und Weise wie zusammen gearbeitet wird. Laut einer Google Studie von 2016 („aristotle“) an 180 Teams, stellen Mitarbeitende, die sich im Team psychologisch sicher fühlen
• mehr Fragen
• geben häufiger Fehler zu
• lernen gemeinsam aus Fehlern
• legen den Fokus mehr auf Stärken und
• achten auf eine gleiche Verteilung der Redezeit.

Psychologische Sicherheit ist besonders bei hoher Ungewissheit und Interdependenz absolut notwendig, um gemeinsam – also genau JETZT in unserem kollektiven VUCA-Erleben – wirkmächtige Teams zu bauen und die kollektive Intelligenz des ganzen Teams zu nutzen.

Wie könnt ihr damit praktisch arbeiten?
Ihr könnt Eure Teams Einschätzungen zu diesem Thema auf einer Skala von 1-10 machen lassen und dann über die Ergebnisse sprechen. Hier ein paar Anregungen:
• „Wenn ich im Team einen Fehler mache, wird mir das nicht übelgenommen.“
• „Es ist ok den Status Quo in Frage zu stellen.“
• „Ich halte manchmal Fragen zurück, weil ich keinen schlechten Eindruck machen will.“
• „Ich verheimliche manchmal Fehler, die ich gemacht habe.“
• „Ich werde mit meinen Anliegen gehört.“
• „Ich werde mit meinen einzigartigen Stärken geschätzt.“
• „Teammitglieder haben keine Scheu schwierige Themen anzusprechen“

Danach könnt ihr Euch fragen, was ihr loslassen, bewahren und entwickeln solltet, um die psychologische Sicherheit in Eurem Team zu erhöhen. Am besten visualisiert ihr die Ergebnisse bei Mural, Miro und Co und schaut dann, was der nächste kleine Schritt sein kann, den jede/r gehen kann um mehr psychologische Sicherheit im Team aufzubauen.
Eine hohe psychologische Sicherheit entsteht nicht von jetzt auf gleich, sondern erfordert viel Fingerspitzengefühl, Reflexion nicht nur auf der Führungsebene und auch die Fähigkeit schwierige Situationen in einem gemeinsamen Bewusstseinsfeld zu halten ohne sofort eine Antwort zu haben.
Wenn schwierige Themen „da sein“ dürfen, gehalten werden können in einem gemeinsamen Vertrauensraum, entsteht auch wieder gemeinsame Energie, die uns hilft die leeren, inneren Batterien wieder aufzuladen.

Amy Edmondson gibt drei Tipps, die psychologische Sicherheit in Teams zu erhöhen:
• Arbeit als Lernerfahrung rahmen und nicht als Erfahrung des reinen Ausführens von Tätigkeiten (Wir lernen hier gemeinsam, auch durch Fehler)
• Erkenne Deine Fehlbarkeit an – Sprich über Fehler, sprich über Deine Ängste und Unsicherheiten und lade andere dazu ein, es ebenso zu tun.
• Fördere Neugier und stelle selbst viele Fragen, auch Fragen, bei denen du etwas riskierst, z.B. Dich zu blamieren, als inkompetent oder unwissend zu gelten oder als zu kritisch. So verlieren auch andere ihre Scheu sich zu zeigen in ihren Unvollkommenheiten.

Wie so oft liegt also Vieles an der Art und Weise wie und mit was wir in Kommunikation treten.
Sätze wie:
– Ich habe einen Fehler gemacht
– Es tut mir leid
– Ich weiß es nicht
– Ich brauche Hilfe
….sollten auch Führungskräfte leichter über die Lippen gehen, damit ein höheres Gefühl von psychologischer Sicherheit im Team entstehen kann. Und sie tun wirklich gar nicht so weh. Wer mit diesen Sätzen Schwierigkeiten hat, dem sei etwas Schattenarbeit empfohlen, also auf die Seiten von sich selbst zu schauen, die wir nicht so gerne in den Vordergrund rücken, aber dennoch da sind. Die anderen sehen sie sowieso, warum also Fehler und Schwächen verbergen?

Was könnt ihr tun, wenn Ihr auf Fragen Schweigen ernten?
Warum geschwiegen wird, ist schwer zu sagen, dennoch sollte Schweigen in Gruppen immer thematisiert werden, weil es etwas zu sagen hat und erdrückend wirkt, wenn es nicht kommentiert wird.
Ihr könnt z.B. fragen:
– Angenommen das Schweigen könnte sprechen. Was würde es uns sagen?
– Wie empfindet Ihr das Schweigen im Moment?
– Worüber sprechen wir gerade nicht?
– Wo schauen wir gerade nicht hin?

Solltest du als Führungskraft mit all diesen Methoden nicht weiterkommen, ist es sinnvoll vermehrt Einzelgespräche zu führen und diese nicht mit Phrasenfragen wie: „Wie geht es Dir“ zu beginnen, es sei denn Du möchtest Antworten wie: „Passt schon“ oder „gut“ erhalten.
Viel fruchtbarer sind Fragen wie:
– Was beschäftigt Dich gerade?
– Was ist zur Zeit Deine größte Sorge oder Dein größter Stress?
Und wenn Du Feedback über Deine Wirksamkeit erhalten möchtest, frag´ sie doch mal:
– Was von dem, was ich in letzter Zeit getan habe, hat Dir am meisten geholfen?
– Was hat Dir am wenigsten geholfen?
– Und wo standen wir oder unsere Strukturen Dir im Weg?

Ich hoffe, dass diese Anregungen zu gehaltvolleren Gesprächen führen und Ihr wieder mehr mit Euren Mitarbeitenden in Verbindung kommen!

Und wer noch „mehr“ will: Im Online-Workshop entwickeln wir Strategien, was Führungskräfte tun können, um in Zeiten hoher Ungewissheit, Interdependenzen und Volatilität für Stabilität und Sicherheit zu sorgen: Workshop Remote führen – was jetzt wichtig ist!