Was passiert eigentlich, wenn sich Mitarbeiter aus der Mitte der Organisation selbstorganisiert in Bewegung setzen, um ihr Unternehmen zu verändern? Eine Graswurzelinitiative ist oft mehr als ein kurzer, einmaliger Impuls, denn sie hat das Potenzial, Organisationen nachhaltig zu verändern.
Aber wann entstehen Graswurzelinitiativen? Was bringt Mitarbeitende dazu, die formalen Wege zu verlassen? Und welche Probleme lösen die Graswurzelinitiativen in einer immer komplexer werdenden Arbeitswelt? Ein Gespräch mit Sabine und Alexander Kluge darüber, wie Veränderungen aus der Mitte des Unternehmens entstehen und wie sie erfolgreich sein können.
Sabine Kluge gilt als eines der prominentesten Gesichter der New-Work-Szene und wurde 2019 als eine der 40 führenden HR-Köpfe ausgezeichnet (Personalmagazin). Für ihre Mitwirkung bei erfolgreichen New-Work-Projekten in traditionellen Unternehmenskulturen erhielt sie 2017 den HR Excellence Award, 2018 den Xing New Work Award und wurde für ihre vielgelesenen Blogbeiträge auf der Plattform LinkedIn mehrmals als Topvoice ausgezeichnet. Im Jahr 2020 ernannte sie das Personalmagazin zu den Top 10 Influencern im HR Bereich. Sie lebt und arbeitet mit Alexander Kluge und führt mit ihm die Beratungsgesellschaft Kluge + Konsorten GmbH.
Alexander Kluge ist seit mehr als 25 Jahren als Berater und Begleiter von Unternehmen in der Transformation tätig. Er gründete und führte Unternehmen sowohl im Bereich der Organisationsentwicklung als auch der Softwareentwicklung. Er zählt mit seinen „3 K“ Kernthemen rund um digitale Kommunikation, Kollaboration und Koordinierung von Geschäftsprozessen zu den bedeutenden Kennern, Keynote-Speakern und Autoren der Digitalszene und teilt sein Wissen auf Konferenzen und digitalen Plattformen. Mit Sabine Kluge führt er die Beratungsgesellschaft Kluge + Konsorten GmbH in Berlin.
Mehr über und von Sabine und Alexander Kluge gibt es unter den folgenden Links:
Berichte, Video und Audio: https://www.kluge-konsorten.de/topic/media/
Buch „Graswurzelinitiativen“: http://buch.kluge-konsorten.de
Podcast “Kluges aus der Mitte”: http://podcast.kluge-konsorten.de
Für Eilige: Einige Insights aus dem Podcast
Was sind Graswurzelbewegungen (GB) und warum entstehen sie?
GB sind Initiativen, die sich aufgrund von Missständen oder ungenutzten Potenzialen in Organisationen bilden. Solche Interessensgemeinschaften streben letztendlich eine Veränderung „aus der Mitte heraus“ an. Die Graswurzel selbst ist nichts formal verordnetes, es besteht kein Auftrag, und sie wirkt meist sogar gegen formale Regeln. Durch soziales Lernen werden Ideen, Wünsche, Visionen formuliert. Man prüft Resonanzen und findet „Follower“, um eine Bewegung zu formen, die irgendwann eine kritische Masse erreichen kann. Dann kann letztendlich auch vor Entscheidungsträgern wirksam ein Anliegen vorgetragen werden, das ernstgenommen werden sollte.
Was versteht Ihr unter sozialem Lernen in Organisationen?
Bei klassischem organisationalem Lernen gibt das Unternehmen den Pfad vor. Und zwar wer, was, wann lernt, um dann bestimmte Positionen zu übernehmen. Soziales Lernen hingegen bedeutet, dass Menschen zusammen kommen und selbst entscheiden was, wann und mit wem gelernt wird. Frei nach dem Motto: „Mich interessiert was du machst, können wir das teilen?“ Durch die globale und digitale Vernetzung wird es zunehmend leichter nach links und rechts bei den Nachbarn zu schauen, auszuprobieren und somit soziales Lernen zu organisieren.
Welches Problem lösen GB in Organisationen?
Nach dem Prinzip „Iceberg of Ignoranz“ kommen nur 4% der tatsächlichen Probleme bei den Top-Entscheidern an. Viele Hierarchieebenen filtern stark aus. Organisationen haben immer komplexere Prozesse, in denen Ursache und Wirkungsbeziehungen nicht unbedingt klar zu erkennen sind. Hier braucht es zunehmend ein Ausprobieren, eine gesunde Fehlerkultur und Agilität, um den Kunden, Produkten und Herstellungsprozessen gerecht zu werden. Eine interne GB, stellt sicher, dass das Unternehmen selbst nicht erstarrt und somit in dieser komplexen, vernetzten Welt überlebensfähig bleibt. „GB bilden den Humus, auf dem Veränderungen wachsen können“.
Sind GB ein Hoffnungsnarrative für die Zukunft von Organisationen?
Ja! Partizipativere Unternehmenskulturen werden immer wichtiger. Die Menschen wollen mitgestalten und sind oft frustriert, weil sie das Gefühl haben beruflich festzustecken. Ein häufiger Irrglaube vom oberen Management ist, dass Mitwirkung nicht erwünscht ist, dabei wird die Mitte oft garnicht erst eingeladen aktiv mitzugestalten.
Entscheidungsträger in Organisationen sollten dieses Höchstmaß an Motivation von Menschen, die ihr Unternehmen und die Produkte lieben nutzen und sich fragen: „Wie schaffen wir mehr Freiraum, damit Bewegungen aus der Mitte gedeihen können? Dazu gilt es über den eigenen Schatten zu springen und anzuerkennen, dass nicht mehr „der mit den meisten Schulterklappen“ jederzeit weiß, wo es am besten langgeht. Dies fordert einen großen Umlernprozess in den Führungsebenen und natürlich Mut, im Zeichen der Weiterentwicklung ein Risiko einzugehen.
Wie werden GB erfolgreich?
Durch ein „Flüstern“ und das strategisch kluge bilden von Allianzen, z.B. mit „Schutzengeln“ aus der Führung, können GB gedeihen und den Boden für Veränderung bereiten. Ab einem gewissen Punkt, sollte dann aber ein formaler Auftrag besorgt werden, um das Anliegen auch tatsächlich in der Unternehmensstruktur zu verankern und somit Berichtswege, Prozesse und Kultur zukunftsfähig zu transformieren.