Inhouse Beratung entwickelt sich zunehmend weiter. Dabei verändern sich die Aufgaben und Erwartungen an interne Beratung deutlich. Was macht interne Beratung heute aus? Was kann und sollte sie leisten? Die Autorin und Organisationsentwicklerin Joana Krizanits beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Professionsfeld der internen Beratung und erläutert im Gespräch mit Christina Grubendorfer was das Besondere an interner Beratung ist.
Joana Krizantis hat zahlreiche Veröffentlichungen, hier eine kleine Auswahl:
- Krizanits, Joana (2011): Professionsfeld Inhouse Consulting. Theorie und Praxis der internen Organisationsberatung. Carl Auer Verlag, Heidelberg.
- Krizanits, Joana (2015): Einführung in die Methoden der systemischen Organisationsberatung. Carl-Auer Compact, Heidelberg, 4. Auflage 2022.Krizanits, Joana /Eissing, Martina /Stettler, Kurt (2017): Reinventing Leadership Development – Führungstheorien, Leitkonzepte, radikal neue Praxis. Schäffer-Poeschel, Stuttgart.
- Krizanits, Joana (2009): Die systemische Organisationsberatung – Wie sie wurde was sie wird, Eine Einführung in das Professionsfeld. Facultas Verlag, Wien.
Mehr Informationen über Joana und eine Liste ihrer Publikationen finden sich auf ihrer Website: http://www.krizanits.at/
Informationen zu den im Podcast angesprochene Szenarien des wissenschaftlichen Beirats globale Umwelt finden sich hier:
Für Eilige: Einige Insights aus dem Podcast.
Inhouse Beratung – Was macht sie besonders?
Wenn es um Einbettung und Wirksamkeit geht dann gibt 3 Schnittflächen mit anderen Bereichen: externe Unternehmensberatung, andere interne Beratungsfunktionen (Controlling, QM, PM,..) und zur Funktion Führung.Zu allen Bereichen gibt es Überlappungen.
Kernaufgabe der internen Beratung ist die Errichtung von Kommunikationsräumen, die quer zur Linie gehen. In diesen Kommunikationsräumen kommen Menschen miteinander in Austausch und im Zuge dieser Interaktionen ergeben sich Veränderungen in den kollektiven Wahrnehmung-, Deutungs- und Handlungsmustern. Organisationen sehen sich vor die Herausforderung gestellt sehr viel Veränderung zu bewirken und da ist es wichtig, dass diese Muster mit fluide bleiben. Dabei stellt Beratung den Symbolischen Interaktionismus auf den Kopf: die Bedeutung der Dinge liegt nicht in der Natur der Dinge, sondern wird sozial vereinbart. Wenn ich Deutungsmuster ändern will, muss ich geeignete soziale Interaktionsprozesse aufsetzen.
Kommunikationsräume sollten in der Organisationsberatung quer zur Linie etabliert werden. Aber wie ist das mit bestehenden Kommunikationsräumen?
Diese sind ist auch richtig und zweckmäßig. Aber bei Themen, die über einzelne Bereiche hinausgehen, kann man das nicht mehr in der Linie machen. Warum? Kommunikationsstrukturen die in der Linie laufen, sind eine Kategorie von Entscheidungsprämissen. In diesem Sinn kann ich Themen mit Change-Impact nicht innerhalb einer Linie abspielen, weil ich damit in einem bestimmten im Rahmen einer bestimmten Entscheidungsprämisse bin und damit in der Remanenz von Strukturen.
Was ist interner Organisationsberatung möglich, wo externe keinen Zugang finden?
Externe Beratungen kommen in die Organisation, wenn das Management einen Handlungsbedarf identifiziert hat – da sind schon ganz viele Schritte aufgestellt, Entscheidungen gefallen, Budgets eingestellt. Das ist zu einem Zeitpunkt wo das Problem schon manifest und eingegrenzt ist.
Bei den internen Beratungsfunktionen ist es so, dass sie von allen Seiten frühe Signale bekommen, dass es einen Veränderungsbedarf gibt und die dann selbst die Initiative ergreifen und im Interesse der Organisation an Führung herantreten und einen Auftrag bekommen. Das heißt interne OrganisationsberaterInnen sind weit vor der Line of Visibiltiy und sind deswegen nicht die gefeierten Helden. Aber sie sind sehr wirksam.
Sie können auch ein Frühwarnsystem sein, wenn es noch gar nicht so schlimm ist und wenn es manifest wird, macht das Top Management Budget für Externe frei?
Es gibt auch andere Gründe, die für den Einsatz externer Berater sprechen: Der Wunsch nach einem Gutachten oder Bad Guys Projekte, bei denen man Internen nicht zumuten möchte, soviel Affektladung und Ausgrenzung zu parieren, wie sie Externe bei solchen Projekten häufig erfahren.
Was ist das Selbstverständnis der Internen? Wie ist das mit der Neutralität?
Dave Ulrich hat in seinen internationalen Forschungen zur Frage, was HR erfolgreich macht, die Kernkompetenz des Credible Activist abgeleitet und festgestellt, dass sich die Zuschreibung von Führung an HR verändert hat: Er hat den Begriff des Business Partners geprägt und ein Rollenprofil für dessen Wirksamkeit und Kernkompetenz definiert. Dazu gehört nicht Neutralität, sondern Gefühl der Verantwortung und Verbundenheit mit der Organisation. Der Begriff der Neutralität ist zu ersetzen durch Allparteilichkeit, die nicht auf Distanz, sondern auf Empathie und Engagement für die Entwicklung der Organisation fußt. Ausgehend von der Wahrnehmung, dass eingespielte kollektive Handlungsmuster nicht mehr zu den Anforderungen und zum Entwicklungsbedarf der Organisation passen, wird die Interne Organisationsberatung aktiv.
Hat die interne Beratung Ähnlichkeit mit Führungsfunktion?
Es ist eher hilfreich, Interne Beratung und Führung als unterschiedliche Funktionen zu sehen.
Führung ist ein der ersten und ältesten Funktionen und hat die Aufgabe, Entwicklungen zu beobachten und Entscheidungen zu treffen. Umgekehrt ist Führung in der Rekursivität von Entscheidungen gefangen, weil sie nicht heute A und morgen B sagen kann und dadurch Vertrauen und Wirksamkeit verliert. Führung reagiert immer auf manifeste Brüche.
Beratung hingegen hat andere Beobachtungsfelder: Passen die kollektiven Handlungsmuster zu den Herausforderungen der Organisation?
Dafür, dass interne Organisationsberatung wirksam werden kann, ist es wichtig, dass sie nicht entscheidet. Weil sie morgen vielleicht wieder andere Dinge in den Fokus nehmen können soll.
Beratung schaut auf spezifische relevante Ereignisse an der System-Umwelt-Grenze und auf frühe Signale von Abweichungen. Führung schaut auf Konstanz.
Führung kann frühe Signale für den Veränderungsbedarf der Gesamt-Organisation schwer erkennen. Auf derselben Hierarchie-Ebene sind Aufgabenbereiche arbeitsteilig und mitunter mit gegenläufigen operativen Zielsetzungen unterwegs; jeder Bereich soll sich optimieren. Erst auf den oberen Führungsebenen wird geteilte Arbeit zusammengeführt. Da ist aber die Distanz zum Geschäft so groß, dass frühe Signale nicht mehr gut zu erkennen sind.
Beratungsfunktionen haben das Ziel organisationsweite Entscheidungsprämissen zu setzen und lokale Entscheidungslogiken zu integrieren.
Führung ist eingebettet in Machtdynamik, Beratung fühlt sich Expertise und Überzeugung verpflichtet.
Die Wirkung von interner Beratung entsteht in der Interaktion mit Führung. Ein Controller kann kein Controlling machen, eine interne Organisationsberaterin kann allein keine Organisationsberatung machen. Denn Organisationsberatung kann streng genommen nur im Beratungssystem entstehen: Das ist das Interaktionssystem von Führungssystem und Beratersystem.
Das Entscheidungen zu treffen ist zugehörig dem Führungssystem. Interne OrganisationsberaterInnen würden Wirksamkeit verlieren, wenn sie Entscheidungen für die Organisation treffen würden.
Darf ich auch ohne Auftrag unterwegs sein als interne Berater:in?
Das Business Partner Modell von Ulrich et al, zeigt, dass Interne sich einen Auftrag holen bzw. im Vorfeld von Auftragsformulierungen wirksam werden sollen.
Wie kommt Beratung in ihre Kraft?
Beratung sollte nicht anlässlich beeindruckender Methoden veranlasst werden in Aktion zu treten – die Methoden sind verführerisch, aber allein noch kein Anlass, in die Initiative zu gehen. Grundlage für eine Initiative sollte immer ein theorie- und hypothesengeleiteter Anlass sein, wo festgestellt wird, die Muster passen nicht mehr zum System oder Businessmodell. Aus Beobachtungen müssen gute Thesen oder Beobachtungen gemacht werden. Damit gehe ich ins Gespräch mit Führung – mit guten Thesen und einem Anlass für Entwicklungsbedarf. Methoden wie die systemische Frageführung helfen dem Gegenüber lediglich, einen Anlass zu explorieren.
Welche Art von Beziehungsangebot mache ich als Interne Organisationsberaterin?
Ein großer Wandel in der Zuschreibung an die Internen hat sich vollzogen: vom Cost-Center und Service Center zum Business Partner. Ed Schein hat schon immer gesagt, Personaler sollten ihr Handeln als Inselkultur betrachten. Eine Kultur die aus den Werten ihres Professionsfeldes abgeleitet ist.
Die Beziehung zwischen Führung und Beratung hat sich verändert, weil Organisationen bei so hoher Komplexität solche Funktionen ausdifferenzieren, um System-Umwelt-Grenze besser in die Beobachtung zu nehmen und sich nicht abzukoppeln. Zur Inselkultur würde gehören, dass solche Bereiche eine eigene Regelkommunikation haben, wo Thesen über die Organisation abgeleitet werden.
Transformation der Organisation hin zu einer klimaverträglichen Gesellschaft – was passiert da?
Die große Herausforderung, vor der Organisationen und gesellschaftliche Funktionssysteme unmittelbar stehen, ist die „Große Transformation“ zur klimaverträglichen Gesellschaft. Der wissenschaftliche Beirat globale Umwelt (WBgU), der die deutsche Bundesregierung seit vielen Jahren berät, hat dazu exzellente Szenarien erstellt. Jetzt sind wir an dem Punkt, dass die Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft eingeleitet ist. Das Wirtschaftssystem wird in den nächsten Jahren anders eingebettet werden müssen in die Gesellschaft. Organisationen werden anders eingebettet sein, nicht nur in ihr jeweiliges Funktionssystem. Organisationen sind auch Orte der Sozialisation und damit vorpolitische Foren, in denen Einstellungsveränderungen stattfinden. Alle Organisationen werden sich in nächster Zeit damit auseinandersetzen müssen, welchen Beitrag sie zur Transformation zur klimaverträglichen Gesellschaft leisten und wie sie ihr Geschäftsmodell anpassen an diese Herausforderungen. Jede:r Interne Organisationsberater:in müsste sich dafür fundiertes Wissen besorgen. Das wird ein große Beratungsfokus sein in Organisationen.