Üblicherweise schaut man beim Thema Führung schnell auf die einzelnen Führungs-Personen und ihre spezifischen Eigenschaften und Potenziale. Und macht dabei den zweiten Schritt vor dem ersten – denn wenn es um Führung geht, lohnt zunächst der Blick auf die Organisation. Und dieser gelingt am Besten systemisch. Welchen Unterschied macht also der systemische Blick auf Führung im Unterschied zu einem eher „konventionellen“ Blick? Und was sind dabei die Aufgaben von Führung? Darum geht es in dieser Folge des LEA-Podcast mit unserem Gast Prof. Dr. Rudolf Wimmer.
Prof. Dr. Rudolf Wimmer hat Rechts- und Staatswissenschaft sowie Politikwissenschaft an der Universität Wien studiert und hat sich zum Thema Gruppendynamik und Organisationsentwicklung an der Universität Klagenfurt habilitiert. Er ist Gründungsprofessor des Wifu, dem Wittener Institut für Familienunternehmen, an der Universität Witten/Herdecke und war von 1999-2004 Inhaber des Lehrstuhls für Führung und Organisation, seit 2004 ist er außerplanmäßiges Professor am selben Lehrstuhl. Von 2012 -2012 war er Vizepräsident der Universität Witten-Herdecke.
Rudolf Wimmer ist Mitgründer der osb, Gesellschaft für systemische Organisationsberatung. Er ist Mitglied in unterschiedlichen Beiräten und Aufsichtsräten familiengeführter Unternehmen.
Für Eilige: Einige Insights aus dem Podcast.
Wie lautet das Problem, für das Führung eine Lösung ist?
„Üblicherweise blickt man dann als Antwort auf die Frage auf Personen und was ihre spezifischen Eigenschaften, Begebenheiten, Potenziale sind.“
„Das Führungsthema wird als personenorientierte Problematik gesehen“. Dabei ist „Führung die Funktion, die für Funktionstüchtigkeit oder Überlebensfähigkeit von Organisationen eine Rolle spielt.“
„Systemtheoretisch drehen wir die Blickrichtung um: was tut sich in der Organisation? Was sind spezifische Verhältnisse und Problemstellungen auf die Führung eine Antwort ist? Das heißt wir blicken auf die organisationalen Zusammenhänge.“
Daher ist „Führung etwas, das in Organisationen als Funktion ausdifferenziert wird.“
Was wären beobachtbare Phänomenen für Führung als Funktion?
„Ein funktionaler Blick auf Führung zeigt, dass Organisationen in sich selber eine Arbeitsteilung ausprägen: operative Tätigkeiten und Funktionen, die dazu in eine Distanz treten.“ Denn „Organisationen brauchen eine Funktion, die hinschaut, ob sie in ihrem Seinszweck unterwegs ist.“ Das ist die Aufgabe von Führung. „Führung stellt Beobachtungen an und kommt zu Einschätzungen, ob die Funktionsfähigkeit der Organisation so gestaltet ist, dass die Organisation ihre Aufgaben erfüllt.“ Dazu versorgt „Führung die Organisation mit Entwicklungsimpulsen“.
„Die meisten Organisationen verfügen zwar über eine Menge Führungskräfte, sind aber in der Versorgung mit Führungsleistungen ausgesprochen schlecht aufgestellt.“ Dabei ist der Unterschied zwischen operativen Aufgaben und Führung ist nicht immer scharf. Funktionsinhaber erfüllen häufig einen erheblichen Teil ihrer Arbeit mit operative Aufgaben und glauben dadurch vorbildhaft zu zeigen, dass sie ihre Führungstätigkeit gut im Griff zu haben.
Sollte Führungsarbeit durch Führungskräfte oder auch andere Ansätze stattfinden?
„Organisationen prägen Hierarchieebenen aus, um Entscheidungsmöglichkeiten sicherzustellen. So werden Tendenzen der Selbstblockade aufgelöst (wie es in Teams passiert).“ Dabei müssen Führungskräfte nicht alles selbst entscheiden, aber die getroffenen Entscheidungen mit tragen.
Was bedeutet das für die Entwicklung von Führung in Organisationen?
„Führungsentwicklung hat zur Voraussetzung, dass in der Organisation ein gemeinsames Verständnis entwickelt worden ist, was unter Führung zu verstehen ist: Wie stemmen wir Führungsaufgaben miteinander? Welche Form von Führungsarbeit braucht es, wie organisieren wir das ? Was wird wo abgearbeitet? Wie wird es verknüpft? Wenn diese Kernfragen in der Organisation nicht mit Intensität und Qualität geklärt wurden, macht es wenig Sinn, Führungsentwicklung gießkannenmäßig durchzuführen.“
„Führungsentwicklungsprogramme sind daher im Kern Organisationsentwicklungsprogramme.“
„Wenn es kein klares Bild des Miteinanders gibt, wird über Führungskräfte-Entwicklung eine Illusion genährt, dass Leute bestimmte Kompetenzen haben müssen,“ womit „die Verlagerung des Problems von Führung von der Organisation auf einzelne Personen zu Überforderungssituationen der Führungskräfte führt.“