Führungsentwicklung scheitert am Bild von Führung

Zwei steile Thesen direkt zu Beginn:

These Nr. 1: Führung wird bei den meisten Organisationen zu klein gedacht.

These Nr. 2: Genau deshalb kann Führungsentwicklung dann auch nichts Großes bezwecken.

Ein gutes Beispiel, um These Nummer 1 etwas greifbarer zu machen, gibt Christina Grubendorfer im Podcast mit Soziologin Judith Muster: Welche Antworten bekommt man, wenn man im Online-Meeting mit 1000 Personen die Frage stellt, woran sie denken, wenn es um Führung geht? Sehr viele denken dabei an 1-on-1-Mitarbeitergespräche, etwas weniger denken an Teamführung und noch weniger denken an Führung als etwas, was jeder und jede im Team macht.

Meist zu weit weg aus dem initialen Blickfeld ist Führung als Thema auf der Organisationsebene; Führung als etwas, das durch die Organisation entweder möglich oder unmöglich gemacht wird. Heißt: viele von uns müssen sich aktiv bemühen, um den Blick im Alltag auf das Führungspotenzial von Organisationen zu weiten. Warum genau das so sinnvoll wäre, dazu bringt Judith Muster im Podcast einige interessante Gedanken aus Forschung und Praxis mit.

Sie begegnet in vielen Organisationen einem zu wenig komplexen Blick auf Führung, der sich meist völlig um Führungspersonen dreht: Sie sind schuld, wenn Führung fehlschlägt, sollen mehr über ihr Führungsverhalten reflektieren, ihren Reifegrad erhöhen und häufig auch einfach generell mehr führen. Irgendjemand muss ja die täglichen Feuer löschen, die in einer Organisation nun mal entfachen. Die unterschwellige Annahme, dass die Weiterentwicklung von Führung nur über Führungskräfteentwicklung funktionieren kann, sorgt so für massig Überforderung. Und ist zeitgleich nur ein recht schwacher Hebel für positive Veränderungen.

Genau da lohnt es sich, den Blick aktiv auf die Organisation zu weiten. Führung lässt sich nämlich – um Judith Muster zu zitieren – im besten Sinne „wegorganisieren“. Das heißt nicht, dass Organisationen Strukturen schaffen sollten, die Führung unnötig machen. Vielmehr geht es darum Führung als mehr zu verstehen als das, was eine einzelne Führungsperson direkt macht:

Führung heißt, vorausschauend Leitplanken zu schaffen, in denen andere frei arbeiten können.

Führung heißt, transparente Arbeitsteilungen zu entwickeln, sodass jede*r mit den eigenen Stärken an der besten Stelle aktiv werden kann.

Führung heißt, gemeinsame Strategien und Zielvereinbarungen, die einen klaren Rahmen für das Handeln aller setzen.

Führung ist einfach viel mehr als wir erreichen könnten, wenn wir uns nur auf die Entwicklung einzelner Führungskräfte fokussieren. Dafür ist es notwendig, dass sich Organisationen Räume schaffen, in denen auch dieses größere Bild von Führung Platz hat – zum Beispiel, indem sie sich in Führungsteams zusammenfinden. Sie denken nicht mehr in den Aktionen Einzelner, sondern an das Große, was sich gemeinsam in der Organisation bezwecken lässt.

Und wer gerne etwas „Futter“ für den Aufbau solcher Führungsteams hätte, der findet im Podcast noch einige Impulse zum Neujustieren von Hierarchien und einem organisationspsychologischen Führungsverständnis. Viel Spaß beim Hören!