Wieviel Risiko ist Chance und wieviel Chance Risiko?

Ein Kommentar zur 4. LEA-These: Was heißt das für Organisationen – für Führung – das Wechselspiel von Sicherheit und Unsicherheit steuern statt sich auf eine Seite zu schlagen.

Wir alle kennen sowohl die einen als auch die anderen. Die einen nehmen die Position in einer Organisation, in einem Team, ein, alles immer ganz genau – bis ins kleinste Detail – durchzusprechen und sich lieber ein fünftes und sechstes Mal abzusichern. Bei Entscheidungen gelten sie häufig als die Spielverderber, da sie einmal wieder nur die Risiken ins Feld ziehen statt die Chancen zu sehen. Und da gibt es die andere Position. Personen innerhalb einer Organisation, die ohne groß darüber nachzudenken sofort los laufen, grenzenlose Ideen generieren und immerzu die Chancen sehen, statt die Risiken abzuwägen .

So kann man sich vorstellen, dass in einem Meeting, in dem es um eine strategische Richtungsentscheidung geht, die Teammitglieder, die ohne Grenzen und nur in Chancen denken, die Aufgabe perfekt ausführen, den Blick zu öffnen und visionär in alle mögliche Richtungen zu denken. Frei nach dem Motto, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Dieser Weg wird von den „Sicherheitsmenschen“ im zweiten Schritt auf Realitätstauglichkeit hin kritisch überprüft: Wieviel riskieren wir? Wofür tun wir das? Wie gut ist unser Plan? Was brauchen wir noch, um auf sicherem Boden zu stehen? Wenn es glatt läuft und jeder den anderen seine Arbeit machen lässt, kann am Ende eine gute richtungsweisende Entscheidung getroffen werden.

Dieses Szenario gilt selbstverständlich nicht nur in einzelnen Projektteams, sondern kann auf das Gesamtwirken einer Organisation übertragen werden. Es braucht beide Parteien. Beide übernehmen Verantwortung für das Ganze. Ob der sichere oder unsichere Weg der Ratsame ist, ist situationsgebunden. Um visionäre Ideen zu entwickeln, müssen Unternehmen die mahnenden Stimmen ignorieren. Um die visionären Ideen auf die Straße zu bringen, müssen sie einen realistischen Chancen-Risiko-Abgleich vollziehen, um dann wiederum mutig in die Zukunft zu gehen – mit der sicheren Gewissheit mit Unwegsamkeiten und Ungeahntem rechnen zu müssen. Es ist also ein Wechselspiel des Abwägens: Wann ist wieviel Mut chancenreich und wieviel Vorsicht an welcher Stelle überlebensnotwendig. Dafür gibt es keine Formel, in die man Kennzahlen zusammenschüttet und am Ende kommt ein Richtwert raus, wieviel Risiko mein Projekt – mein Change – verträgt. Es spielen unendlich viele Faktoren eine Rolle: die zu erledigende Aufgabe, das Ziel, die generelle und unternehmensspezifische wirtschaftliche Lage, die Kultur in einer Organisation, die Strukturen, Prozesse und wie immer die Frage der Kommunikation. Wenn wir aber davon ausgehen, dass Organisationen grundsätzlich rundum Widersprüche gebaut sind, gilt als Erfolgsfaktor der Umgang mit diesen. Wer also den Widerspruch zwischen Sicherheit und Unsicherheit bearbeiten will, tut gut daran, diesen nicht auflösen zu wollen, sondern sich beiden – Sicherheit und Unsicherheit – spielerisch je nach Kontext zu bedienen.