Der agile Wandel – ein Kulturbruch

Aktuell kommt es einem so vor, als wäre Agilität der Coolness-Faktor in Unternehmen. In New-Work-Channels liest man: „Wer da jetzt nicht aufspringt, dem drohen das Abstellgleis und der wirtschaftliche Niedergang.“

Wir halten dieses Prinzip, Agilität mit der Gießkanne auszuschütten, für Blödsinn. Vielmehr leuchtet uns die Sichtweise ein, dass die Sinnhaftigkeit sowie das passende Ausmaß an Agilität von der Beschaffenheit einer Organisation abhängt. Wenn ein Unternehmen einen stabilen Markt und Business Case hat, der klare vorhersagbare Strukturen und Abläufe verlangt, wozu braucht es dann Agilität?! Wenn ein Unternehmen erkennt, sein bisheriges Geschäftsmodell zerbröckelt und der Markt wandelt sich unaufhörlich, dann scheint er reif für den agilen Wandel. Nur wie? Der agile Wandel ist kein Weichspülgang, sondern herausfordernd bis schmerzhaft. Er verlangt das Aufbrechen klarer bisher orientierungsgebender Strukturen. Er macht den Kunden zum neuen Boss, dessen Anforderungen es ständig zu antizipieren gilt. Eingespielte Prozesse werden neu gedacht. Sicherheit gebende Instrumente, wie Zielvereinbarungen und Anreizsysteme, werden abgeschafft.

Agiler Wandel ist ein Kulturbruch.

Vertrauen und Miteinander steht vor Kontrolle und Sicherheit. Agil organisiert zu sein, braucht eine Grundsatzentscheidung vom Management. Wollen wir unsere klar gegliederte Linienorganisation wirklich aufgeben, um uns in selbstbestimmten Teams zu organisieren? Das braucht Wollen und Können. Nicht jeder Mitarbeiter will das. Nicht jeder Manager kann das. Nicht jedes System verträgt das. Keinen Chef mehr haben. Kollegial entscheiden. Ständig Feedback geben und erhalten. Dauernde Reflexionsschleifen. Flexibel im Einsatz. Grenzenlose Transparenz. Der Prozess hin zu einem agilen Unternehmen bedeutet viel „Trial and Error“. Man ist nicht von heute auf morgen agil organisiert.  Es bedarf eines langen Atems.

Wir empfehlen ein stufenweises iteratives Vorgehen. Zum Beispiel, indem man erst einmal ein agiles Projekt startet oder hybride Einheiten neben der Linienorganisation bildet, in denen man sich in agilen Prozessen ausprobieren kann und einen Prototyp für selbstorganisierte Teams entwickelt. Wie funktioniert agil bei uns eigentlich? Welche Strukturen und Führungsrollen müssen eingeführt werden, damit man Agilität auf das Gesamtunternehmen ausweiten kann? Welche Teams müssen weiterhin linienorganisiert bleiben? Und wie kriegen wir das zusammen kultiviert und koordiniert? Rahmenbedingungen und klare Regeln ordnen die Zusammenarbeit und die Prozesse in agilen Netzwerkorganisationen weiterhin. Die Kultur muss mitgedacht werden. Sprich, wie schaffen wir Rahmenbedingungen, die Vertrauen und eine Lernkultur fördert? Sie kann aber nicht verschrieben werden: „Ab morgen bitte nur noch agil, transparent und vertrauensvoll.“ Bei allem wünschen wir Ihnen Mut und Augenmaß! „Reflektiert kritisch: Wozu Ihr es macht, wie Ihr es tatsächlich braucht und was es Euch dann wirklich nützt.“