Fünf Thesen zur Steigerung organisationaler Überlebenschancen

Organisationen ergeht es wie Menschen: sich einzugestehen, dass etwas anders, vor allem irgendwie besser werden müsste, das geht noch relativ leicht – doch verändern sie sich erst, wenn es unausweichlich ist. Denn Veränderungen sind anstrengend. Und erfordern Selbstbeschäftigung. Wer mag das schon dauernd tun? Doch nie war es so wertvoll wie heute. Nicht nur die digitale Zeitenwende stellt alles in Frage. Auf einmal müssen sich Organisationen mit Themen wie Machine Learning, Big Data, Artificial Intelligence, Agilität, Holokratie, Disruption, Industrie 4.0, Achtsamkeit, Sinnstiftung … beschäftigen. Fest steht, es liegt im Trend sich zu hinterfragen, an sich zu arbeiten, es eben besser zu machen. Besser als gestern, mindestens so gut wie heute, besser als die anderen. Gut so.

Aus unserer Sicht gibt es (nicht nur diese) fünf Dinge, die Unternehmen tun sollten, um wachsam für die eigene Entwicklung zu bleiben und fähig zu sein, das Beste aus sich heraus zu holen:

1. Maßgeschneiderte Lösungswege finden statt dogmatischen Methodeneinsatz von der Stange zu kaufen.

Jede Organisation ist anders, und um „besser“ zu werden müssen sie ihren ganz eigenen Weg finden. Da bringt es nichts, einer Methode zu verfallen und zum Beispiel Holokratie einzuführen, in der Hoffnung, dass das alle Probleme löst. Im Gegenteil. Es gibt mittlerweile genügend Beispiele dafür, dass das eine gute Möglichkeit ist, ein Unternehmen zugrunde zu richten (vgl. Zappos und die Holokratie). Eher ist es so. Wenn Organisationen sich beispielsweise in einem Markt bewegen, der im ständigen Wandel ist, und sie deshalb lernen müssen, schneller flexibler zu reagieren, sollten sie vermutlich Strukturen schaffen, die ihnen erlauben, ihre Wertschöpfungskette schnell anzupassen. Für ein Unternehmen, dessen Kunden Kontinuität und Stabilität gewohnt sind und dies auch in Zukunft so erwarten, heißt es eher Mitarbeitende zu finden und zu binden, die dieses Markenversprechen auch halten können. Und nicht zu vergessen: Erst muss das Ziel klar sein, sonst ist jeder Weg irgendwie der falsche.

2.  Die inneren Kräfte aktivieren statt der Best Practices-Illusion zu verfallen.

Es kursiert immer noch das Gerücht, es gäbe so etwas wie Best Practices. Die irreführende Idee dahinter ist gefährlich. Denn sie suggeriert, dass alle Organisationen gleich oder zumindest ziemlich ähnlich funktionieren und sich deshalb Erfolgsgeschichten einfach von einem zum anderen Unternehmen übertragen lassen. Die Organisationstheorie (und nicht zuletzt unsere Beratungserfahrung) haben uns gelehrt: was bei dem einen Unternehmen funktioniert, gilt noch lange nicht für alle anderen. (Peters und Watermann – „In Search of Excellence“ – gaben übrigens bereits 2001 selbst zu, „fake news“ verbreitet zu haben.) Kürzlich trat ein Unternehmen an uns heran und bat um ein Best Practice-Beispiel zur Einführung von agilen Teams. Der Kunde war zunächst irritiert, als wir ihn ermutigten, die Lösung im eigenen Unternehmen zu suchen. Denn der Schlüssel zum Erfolg sind die vorhandenen Regeln, Kräfte, Strukturen innerhalb der eigenen Organisation. Wer versteht, wie die eigenen Teams funktionieren, auf welcher Reise sich die Organisation befindet und wie agile Arbeitsmethoden in diesem Kontext hilfreich sein können, findet die beste Antwort für seine Organisation zum Umgang mit agilen Arbeitsmodellen.

3. Sich der Irritation stellen statt relevante Umwelten auszublenden.

Jeder von uns kennt es: Wenn wir merken, dass sich um uns herum etwas ändert, versuchen wir das  – nach einem kurzen Schreck – erst einmal zu ignorieren. Wir tun so, als hätte das, was außen passiert, nichts mit uns zu tun. Sonst müssten wir uns wohlmöglich ändern. Um zu überleben müssen Organisationen sich aber ein Bild machen von ihren (veränderten) Umwelten, z.B. digitalen Märkten, Sichtweisen neuer Generationen o.ä. Sie müssen hinschauen. Nur so erkennen sie, welche Bedeutung die aktuellen Strömungen für ihr Geschäft haben und welche Weichen sie nun stellen müssen, um in der eigenen Kraft zu bleiben. Doch das reicht noch nicht. Die hausgemachte Irritation muss auch in die weitere Bearbeitung gelangen, sie muss im Unternehmen zum Thema und vor allem die Basis wichtiger Entscheidungen werden. Eine Kernkompetenz des Managements sollte sein, sich regelmäßig und heftig Widerspruch zu organisieren.

4. Das Wechselspiel von Sicherheit und Unsicherheit steuern statt sich auf eine Seite zu schlagen.

Organisationen oszillieren zwischen Sicherheit und Unsicherheit, beides ist wichtig um fortzubestehen. Weder sollte die Organisation in Festigkeit erstarren (und in Schönheit sterben) noch sollte sie in dauernde Selbstzweifel und freudigem Chaos verglühen. Unternehmen können sich nicht für Sicherheit oder Unsicherheit entscheiden. Denn Organisationen brauchen beides. In Sicherheit können Produktwelten optimiert, Ressourcen angehäuft und Marktanteile ausgebaut werden. In Unsicherheit sind sie gefordert, Neues auszuprobieren, sich zu hinterfragen und ggf. alte eingefahrene Herangehensweisen über Bord zu werfen. In beiden Fällen wachsen Unternehmen und ihre Teams. Die Kunst ist, mit diesen Paradoxien zu spielen und aktiv zu steuern, wann für welches Team der jeweilige Zustand nützlich ist. Entwicklerteams brauchen beispielsweise mehr Unsicherheit als das Controlling.

5.  Routinierte Reflexionen durchführen statt unhinterfragten Aktionismus als selbstverständlich hinzunehmen.

Was mache ich hier gerade? Bewirkt unsere Strategie das, was wir erreichen wollen? Wo wollen wir überhaupt hin? Regelmäßig inne zu halten, mit Abstand auf die Organisation zu schauen und das Vorgehen kritisch zu hinterfragen, ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil. Nur wer iterativ prüft, ob er Kurs hält oder ob ein Kurswechsel aufgrund von veränderten Bedingungen angebracht ist, wird auf lange Sicht gut fahren. Den Beobachter – wohlwollenden Kritiker – einzuschalten und aus der Vogelperspektive über das Vorgehen zu reflektieren, macht Organisationen besser; nicht schwächer.

In Summe sagen unsere fünf „Become-Better-Thesen“: Organisationen tun gut daran, sich Routinen zu schaffen, die ihnen erlauben sich regelmäßig selbst zum Thema zu machen. Und sie sollten sich zutrauen, die besten Antworten auf ihre Fragen geben zu können. Und da kommen wir auch als Berater ins Spiel. Wir können Organisationen auf diesem Weg der Lösungssuche, des Reflektierens, Hervorkramens, Hinterfragens und schließlich Lernens unterstützend begleiten.