Mehr Thomase als Frauen im Chefsessel

Früher war es doch einfacher. Es gab einfach keine Frauen in Führungspositionen. Als junge Frauen an der Uni und später im Beruf konnten wir deshalb noch träumen und uns Ziele setzen. „Die Zukunft ist weiblich!“ sagte mir mein Vater zum Vordiplom. Damit zitierte er Margarete Mitscherlich, die den Titel 1987 veröffentlichte. Und da ist etwas dran. Ende der 80er gehörte ich zu den 32% weiblichen Studenten. Meine älteste Tochter studiert heute in Amsterdam und gehört damit zu den 55% aller Studierenden. Karriere machte ich bei Arthur D. Little und gehörte zu den weniger als 5 % Frauen unter den Beratern. Heute liegt die Quote in führenden Managementberatungen bei rund 20%.

Und was tut sich auf der Vorstandsebene?

Im gleichen Jahr übrigens, 1987 prägte Ann Morrison den Begriff „Gläserne Decke“ und sprach damit von den unsichtbaren Prozessen und Faktoren, die Frauen vom Zugang zu Führungspositionen abhalten. Wenn man sich Deutschland ansieht, muss ich sagen: Tochter, schnell weiterträumen! Wir sind noch sehr weit entfernt von einer weiblichen Zukunft. In 2017 bestehen deutsche Vorstände börsennotierter Unternehmen zu 93 Prozent aus Männern. Unter ihnen sind 49 Thomasse oder Michaels. Die Allbright Stiftung spricht vom ewigen Thomas-Kreislauf. Es gibt nur 46 weibliche Vorstandsmitglieder.

Träumen aus Verzweiflung? Nein, es geht in die richtige Richtung, aber es ist noch ein Weg zu gehen. Setzt Euch nicht unter Druck, behaltet Euren eigenen Stil! Sheryl Sandberg rät uns, sich einzubringen (lean in), andere raten dazu, sich zurücklehnen (lean back), und meinen, Kraft und Vertrauen aus sich selbst zu schöpfen.  Die Rezepte der erfolgreichen Frauen sind vielfältig und vielversprechend. Es gibt nicht nur einen Weg!

Jenseits der reinen Zahlen sind die Ursachen genauer zu untersuchen und allen bewusst zu machen. Gleichberechtigung heisst, dass Frauen und Männer sich gleichermaßen frei entscheiden können für das Studium, für die Karriere und für die Familie. Voraussetzung dafür ist, dass wir die Optionen kennen und sie bewusst abwägen und anschließend entscheiden unter Berücksichtigung der eigenen Fähigkeiten und Motivation. Unsere soziale Prägung werden wir nicht ignorieren können, wir sollten sie kennen und bewusst einsetzen. Männer müssen nicht weiblicher werden. Frauen nicht männlicher. Wir sollten uns ergänzen und die Kompetenzen und Motivation des Anderen respektieren und fördern.

In 2017 untersuchte ich das Entscheidungsverhalten von Frauen in Führungspositionen. Stereotypisch sind Frauen entscheidungsschwach. Angeblich treffen Frauen keine Entscheidungen unter Unsicherheit. Unsinn! Meine Studienergebnisse ergeben ein komplett anderes Bild:

Die befragten Frauen haben zu 84% ihre Lebensentscheidungen getroffen, obwohl sie mit Zweifeln und Ängsten verbunden waren. In 71% der Fälle war die Unsicherheit sehr hoch: Die Frauen wussten nicht, was das Neue mit sich bringt bzw. hatten es sich anders vorgestellt.

Und wie beschreiben die Frauen ihren Entscheidungsprozess? 68% haben bewusst gehandelt, 61% haben die Optionen objektiv bewertet und mit der Umgebung – Partner, Mentor, Freunde – diskutiert.  Nur 11% sind ihrem Bauchgefühl nachgegangen.  Und nur 16 % mussten sich die alte Situation erst schlecht reden, um sich dagegen entscheiden zu können.
Die gute Nachricht zum Schluss: 87% der Frauen erleben positive Überraschungen in einer neuen Lebenssituation!

Über die Nachricht von der ersten schwangeren Regierungschefin freue ich mich. Auch Jacinda Ardern geht ihren besonderen Weg und hat ihren eigenen Stil. Neuseelands Premierministerin löst einen Boom aus, der bedürftigen Kindern zugute kommt. Durch Stricken!