Angeklopft bei Marcus Raitner zum Thema menschenwürdige Führung als Norm

Wir bitten unsere Podcast-Gäste darum, uns im Nachgang noch drei Fragen zu zentralen Aspekten der Podcast-Episode zu beantworten. Zum Nachlesen für alle.

Was hat Dich bewogen, ein Manifest für menschliche Führung zu schreiben?

Das Manifest für menschliche Führung entstand ursprünglich 2018 bis 2019 im Zuge der agilen Transformation der BMW Group IT, als wir uns mit der Frage beschäftigten, was passende Führungsleitlinien in einer agilen Organisation sein könnten. Da lag es nahe, meine sechs Thesen in derselben Form wie im »Manifest für agile Softwareentwicklung« niederzuschreiben. Und das tat ich dann in Social Media und in meinem Blog und veröffentlichte es schließlich 2019 als erste, noch sehr dünne, Ausgabe im Selbstverlag bei Amazon unter diesem – vor diesem Hintergrund äußerst naheliegenden – Titel.

Auf den zweiten Blick hat mein Manifest dann allerdings gar nicht mehr viel mit Agilität oder agiler Softwareentwicklung zu tun. Vielmehr geht es um das Streben nach einer menschlicheren und menschenwürdigeren Wirtschaft. Eine Wirtschaft, die dem Menschen dient und nicht umgekehrt. Diese Überlegungen sind nicht wirklich neu, sondern reichen Jahrzehnte zurück bis zu Peter F. Drucker und Douglas McGregor. Die Agilität und insbesondere das dabei zentrale Prinzip der Selbstorganisation rücken nur einmal mehr die bisher unerfüllten Forderungen nach einer artgerechteren Haltung von Wissensarbeitern in den Fokus.

Zusätzliche Brisanz erhielt das Thema neue Führung durch das erzwungene verteilte Arbeiten im Rahmen der Coronapandemie. Das Führungsmodell »Schachmeister« war nicht länger praktikabel, ohne Zugriff auf die Mitarbeiter. Gefragt war jetzt mehr der Gärtner, der Rahmenbedingungen für die gelingende Zusammenarbeit schafft.

Diese kollektive Erfahrung war ein Grund, warum es nun eine zweite Auflage des Manifests als Hardcover im Vahlen Verlag gibt. Der zweite Grund sind die 14 Prinzipien, die, wie beim Manifest für agile Softwareentwicklung auch, hinter den sechs unveränderten Thesen stehen und diese konkretisieren.

Magst Du uns verraten, nach welchen Prinzipien Du selbst führst?

Neben all dem, was ich im Buch beschrieben habe, das auch so etwas wie mein ganz eigenes Führungshandbuch ist, leitet mich ein systemisches Verständnis von Führung. Als Gärtner arbeite ich am System und den Prozessen und fördere das Wachstum der mir anvertrauten Menschen. Dazu gehört eine gute Portion wohlwollender Optimismus, der für mich am besten in diesem Zitat von Goethe zum Ausdruck kommt: »›Wenn wir (…) die Menschen nur nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter; wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, so bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind.«

Was rätst Du Unternehmen, um sich zukunftsfähig auszurichten?

Einerseits die Selbstgefälligkeit, die großer Erfolg mit sich bringt, zu überkommen und sich immer wieder kritisch zu hinterfragen. Damit möchte ich nicht das Erreichte kleinreden; es ist auch eine Kunst, ein Geschäft stabil nach allen Regeln der Kunst zu betreiben und auszuschöpfen. Und es braucht daneben noch die Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden. Andererseits sollten Unternehmen genau zu diesem Zweck das vielfach ungenutzte Potenzial ihrer Mitarbeiter nutzen und konsequent in das Empowerment und die psychologische Sicherheit investieren, die Innovation erst ermöglicht.

Hier geht es zu Marcus Raitners Buch Manifest für menschliche Führung, in dem er 6 Thesen und 14 Prinzipien für eine neue Führung im Zeitalter der Digitalisierung vorstellt.

Die Podcast-Folge mit Marcus Raitner findest Du hier: Menschenwürdige Führung als Norm?